4                                                                                                      Liegnitz, 5. Mai 1810

Zeitungsbericht für April 1810

 

GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16500, Bl. 27r-29v, Anlagen Bl. 30r-34r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum fehlt.

 

 

[27r] Liegnitz den 5ten May 1810.

 

Die Regierung erstattet den Zeitungs-Bericht von ihrem Administrations-Bezirk für den Monat April c. 

 

Ewr. König. Majestät säumen wir nicht aus den uns zugekommenen Special-Zeitungs-Berichten für den Monat April c. nachstehende Haupt-Relation allerdevotest abzustatten:

 

Witterung.

 

Die Richtung des Windes war sehr veränderlich. Frostwetter herrschte nur vom 13ten bis 15ten v. M. Den 14ten zeigte das Reaumursche Thermometer zwei Grad unter dem Eispunkt. Es fiel etwas Schnee. Der höchste Grad von Wärme war den 20ten Mittags kurz vor dem Ausbruch eines Gewitters. Das Thermometer stand 16 Grad über dem Gefrier-Punkt. Der im verflossenen Monat gefallene Schnee ist den Wintersaat-Gefilden mehr nützlich als schädlich gewesen, indem er ihnen diejenige Feuchtigkeit gewähret, deren sie so sehr bedurften. Fast überall prangen sie jetzt mit einem schönen hoffnungsvollen Grün. Der Landmann widmet gegenwärtig seine ganze Thätigkeit der Vollendung der Sommersaat-Bestellung, und wünschet nur den baldigen Eintritt eines durchdringenden Regens, als welcher dem Aufgange der in Keimen liegenden Fruchtkörner ungemein beförderlich seyn würde. Traurig ist es, daß in mehrern Wäldern unsers Departements die Kiefer-Raupe sich in grosser Menge zeiget, und eine furchtbare Verheerung anzurichten droht. Inzwischen ist dasjenige bereits vorgekehrt , was zu deren Abwendung Mittel werden kann.

 

Preise der Consumtibilien.

 

Aus der unter dem Buchstaben A beigeschlossenen balancirten Designation wollen Ewr. Majestät die Preise, die das Getraide im abgewichenen Monat auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements gehabt, und das Verhältniß dieser Preise zu denen des benachbarten Auslandes huldreich zu ersehen geruhen.

 

In der Beilage sub litt: B wird die Quantitaet des im April c. ein- und ausgeführten Getraides und Gemüses nachgewiesen. Der Berliner Scheffel Kartoffeln, der im vorigen Monat 9 bis 13 gg. Münze galt, wird jetzt, weil diese Erdfrüchte zur Saat gesuchet werden, um einige Groschen höher bezahlt.

 

Die Designation sub litt: C verzeichnet die Summen und Preise der eingeführten Colonial- und andern ausländischen Waaren. Keine Gattung dieser Waaren ist gegen den Monat Mart: c. merklich theurer oder wohlfeiler geworden.

 

Sämmtliche

 

Staats-Papiere

 

haben fortdauernd einen niedrigen Werth. Selbst die Tresorscheine verlieren im-[27v]-mer noch 20 pro Cent, nicht viel weniger die Schlesischen Pfandbriefe , besonders die großen. Dagegen scheinet es, als ob die Münze sich einigermaassen heben wolle. Von dem

 

Gesundheits-Zustande

 

der Menschen können Ewr. König. Majestät wir noch nichts erfreuliches berichten. Krämpfe, Geschwulste, und Fieber verschiedener Art sind dermalen noch überall häufig anzutreffen. Von Krankheiten unter dem Vieh zeige sich nirgends eine Spur.

 

Unglüks-Fälle.

 

Am 5ten v. M. ist der Haus-Arbeiter des Gastwirths Ganz zu Schmiedeberg, Nahmens Runge, von einer über die durch die Stadt laufende Bach führenden Brükke hinabgestürzt und auf der Stelle todt geblieben.

 

In Koeben ist die 12jährige Tochter des dasigen Einwohner Kirchhoff in dem Oderstrohm, worein sie der Vermuthung nach aus Melancholie selbst gesprungen, ertrunken.

 

In Nieder Leipe, Jauerschen Creises, ist ein Mann nach dem Gebrauch von Arsenik-Tropfen, die er von einem Laboranten aus Kauffungen erhalten hatte, plötzlich gestorben. Diesen Trauerfall hat man unverzüglich der kompetenten Behörde Behufs der wider jenen Laboranten zu veranlassenden Criminal-Untersuchung angezeigt.

 

Am 22 Mart: c. erhing sich der Dienstknecht Baumoehl zu Stuben im Wohlauer Kreise, aus Schwermuth, und am 25ten deßelben Monats machte die 62jährige Wittwe Hübner zu Sabitz Luebenschen Kreises, aus gleicher Veranlaßung durch einen Sprung ins Waßer ihrem Leben ein Ende. Eben dieses that der ehemalige Gastwirth Pauli zu Schmiedeberg.

 

Am 30ten v. M. erschoß sich der herrschaftliche Jäger zu Moestgen, Schwiebusschen Creises, Nahmens Mügel, in Gegenwart seiner Familie aus Melancholie.

 

Am 25ten v. M. entfernte sich ein gewißer Fengler in Glogau, der ehehin als Kutscher gedienet, Abends um 9 Uhr aus seiner Wohnung, und es hat derselbe alles Nachforschens ohnerachtet, bis jetzt noch nicht aufgefunden werden können. Wahrscheinlich hat er sich in der Oder ersäuft.

 

Zu Toeppendorff, Goldbergschen Kreises, ist das Gehöft des Häuslers Wurst am 27ten Merz c. abgebranndt.

 

Am 31ten deßelben Monats brach in dem Gehöfte des Bauers Riedel zu Peiswitz, Jauer. Creises, Nachmittags in der 1ten Stunde Feuer aus, welches von einem heftigen Sturmwinde unterstützt dergestalt um sich griff, daß in Zeit von einer Stunde nicht nur jene Nahrung, sondern auch die Scholtisei, 4 Bauergüther, das Brauhaus, der Kretscham und acht Häusler-Stellen ein Raub der Flammen wurden. Zugleich hat eine 65jährige Frau in diesem Feuer ihr Leben verlohren. Auch sind 2 Kühe, fünf Kälber, 75 Stük [28r] Schaafe, imgleichen Ziegen und 10 Schweine mit verbrandt.

 

Eben so sind am 19ten v. M. die Nahrung des Bauers Fengler zu Höckricht, Glogauschen Kreises, und die Gehöfte des Bauers Zancke, sowie der Gärtner Joithe, und Hoffmann daselbst in Rauch aufgegangen. Der den Damnificaten  dadurch entstandene Schaden wird von dem Kreis-Landrath auf 2710 r. angegeben.

 

Nicht minder ist das Guth des Bauers Hoffmann in Seiffersdorff, Loewenberg-Bunzlauschen Creises, eingeäschert worden.

 

Die Entstehungs-Ursachen dieser traurigen Ereigniße haben nicht ausgemittelt werden können.

 

In der Nacht vom 12ten auf den 13ten v. M. ist dem Krämer Berner zu Ober-Kesselsdorff, Loewenbergschen Creises, aus dem Kramladen von bisjetzt noch unbekannten Dieben durch gewaltsamen Einbruch eine bedeutende Quantitaet Leinwand gestohlen worden.

 

Zu Seitendorff, Hirschbergschen Creises, wurde am 17ten v. M. ein todtes neugebohrnes Kind in dem Mühlgraben aufgefunden. Bei der darauf zu Ausmittelung seiner Mutter veranstalteten Untersuchung ergab sich, daß daßelbe der Dienstmagd des dasigen Nieder-Kretschmers Schneider, die es von ihm empfangen, und ihre Schwangerschaft eben so, wie ihre Niederkunft verheimlichet, angehöre. Es ward daher diese Frauens-Person nebst dem Schneider - einem sehr übel berüchtigten Manne - sogleich arretirt, und an das Inquisitoriat in Jauer abgeliefert.

 

Unter der Rubrik:

 

Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei-Institute,

 

dürfen wir nicht unbemerkt laßen, daß durch die rühmlichen Bemühungen des zeitigen Bürgermeisters in Schmiedeberg, Nahmens Friederici, und durch ansehnliche freiwillige Geldbeiträge der dasigen Bürgerschaft, besonders des Kaufmanns Weber und Commercien-Raths Waldkirch, ein Armenhaus etablirt worden, in welchem, sobald die Kräfte dieses Instituts nur einigermaassen es erlauben, erforderlichen Falles 100 Arme Aufnahme und Verpflegung finden sollen. Bereits 29 sind in dasselbe recipirt, und mit ganz neuen Kleidungs-Stükken doppelt versehen worden. Sie bekommen täglich zum Frühstük Suppe in verschiedenen Abänderungen, nebst hinlänglichem Brod, zu Mittag ein vollständiges Eßen, die Woche aber vor der Hand, damit das Leistungs-Vermögen der Anstalt nicht anfänglich zu sehr angegriffen werde, nur ein Mal Fleisch, des Abends Kartoffeln, nebst Brod und Fett oder Butter. Es ist nicht vorgeschrieben, wieviel jeder Aufgenommene arbeiten soll. Aber den Thätigen [28v] hat man durch Geld-Praemien aufzumuntern und auszuzeichnen beschloßen.

 

Daß in Glogau ein neuerdings, durch Beiträge der Orts-Eingeseßenen, fundirtes Verpflegungs-Institut für arme Kinder bestehe, haben Ewr. König. Majestät wie bereits in unserer Zeitungs-Relation pro Februar c. allerdevotest angezeigt. Nach der Versicherung des dortigen Magistrats hat diese Anstalt erwünschtes Gedeihen, und viele der in ihr befindlichen Kinder haben es in der Kunst des Wollspinnens schon so weit gebracht, daß sie für die Strumpfstriker arbeiten können. Von den Mädchen werden jetzt verschiedene in dasigem Jungfrauen-Kloster Unterricht im Nähen erhalten.

 

Summarische Nachweisung der Zuflüsse in die Königliche Cassen.

 

Die Einnahme für den Monat April c. hat bei der Regierungs-Haupt-Casse sich belaufen auf ........... 85420 r. 18 g. 2 1/5 pf.

 

Die Einnahme-Reste betragen ............ 67650 - -15 - 4 1/5.

 

Ausgegeben sind ............................. 66320 ----5 - 11 3/5.

 

An Ueberschüssen zu den Staats-Cassen sind abgeführet worden
 

a) aus den laufenden Gefällen ............ 57,497 r. 23 gg. -.

 

b) aus der Domainen Resten-Casse an eingegangenen

 

Nachzahlungen .....................................146 -- 1 ------.

 

Militaria.

 

Die fremde Besatzung der Vestung Glogau hat sich eher vermindert als vermehrt, und sie beträgt sich so, wie der dasige Gouverneur General Baron von Rheinwald, fortdauernd zur Zufriedenheit der Bürgerschaft. Das Regiment Sachsen wird von dort weggehen, und die Aeusserungen des Gouverneurs laßen vermuthen, daß selbiges durch Sachsen werde ersetzet werden.

 

Grenz-Sachen.

 

In dem Herzogthum Warschau wird über den Druk der neuen Staats-Abgaben fortdauernd laut geklagt. Am 26ten v. M. wurde der regierenden Frau Herzogin von Sagan Durchlaucht dort aus Böhmen erwartet.

 

Veränderungen bei öffentlichen Behörden.

 

In Sagan sieht man der Ankunft des neuen Herzoglichen General-Bevollmächtigten, Grafen von Wratislaw entgegen.

 

Der Salz Factor v. Packisch aus Neusalz ist wegen Cassen-Defecten arretirt, und Behufs der wider ihn zu veranlassenden Untersuchung [29r] nach Glogau auf das Rathhaus gebracht worden.

 

Commercium.

 

Aus dem Auslande ist gegenwärtig die Nachfrage nach schlesischen wollenen Tüchern etwas stärker, als sonst, und die dießseitigen Tuch-Negocianten geben darum den Tuch-Fabricanten jetzt mehrere Beschäftigung. Aus diesem Grunde, und weil im abgewichenen Monat die Frankfurther Messe statt gehabt, sind z.B. bei der Fabrique in Grünberg 433 Stük Tücher mehr gefertigt, und 1329 Stük mehr debitiret worden, als im Monat März c.

 

Bei den Zoll-Aemtern unseres Verwaltungs-Bezirks sind im April c. 39 Stein 14 lb. Wolle Berliner Gewicht und 17 Stük unbewolltes Schaafvieh in Ausfuhr verzollet worden.

 

In Bezug auf den Leinwandhandel ist keine bedeutende Veränderung vorgekommen. Die in unserm letztern Haupt-Zeitungs-Bericht erklärte Erwartung, daß die Differenzen zwischen Groß-Brittanien und Nord-Amerika beigelegt werden dürften, sehen wir noch unbefriediget.

 

Auf den Messen zu Frankfurth und Breslau hat nach zuverläßigen Nachrichten ein lebhafter Verkehr statt gefunden.

 

Von einer im December 1809 aus Hirschberg nach Triest erfolgten Versendung von 300 Webe Schleier hat daselbst eine Abgabe von 42 Floren 26 Kreutzer Augsburger Courant unter dem Namen Illyrische Transito-Mauth erleget werden müßen. Eine solche Abgabe ist, so lange Triest sich unter österreichischer Hoheit befunden, nicht gefordert worden. Außerdem hat man in Triest den Schlesischen Kaufleuten von allen dort verkauften, und noch unverkauft liegenden Waaren 5 pro Cent als Beitrag zu der an Frankreich gezahlten Kriegs-Contribution in Abzug gebracht.

 

Im verflossenen Monat sind übrigens aus dem Gebirge theils in andere Provinzen Ewr. König. Majestät, theils in das Ausland 72 Kisten Leinwand, deren Werth zur Summe von 28,825 r. angegeben werden, über Aufhalt auf der Oder versendet worden.

 

Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im Monat April c. waren:

 

die fortgesetzten Verfügungen zu Einziehung der Beiträge und Prüfung der Repartitionen der Allerhöchsten Orts eröffneten [29v] Staats-Anleihe,

 

die Berathschlagung über die Frage, ob die bisher bestandenen Gesetze wegen Unablösbarkeit der herrschaftlichen Spinndienste aufzuheben oder nicht?

 

die neue Einrichtung des Servis- und Einquartierungs-Wesens nach dem allgemeinen Regulatio vom 17ten Merz c.

 

die Verfügungen zu Einziehung der Ersatz-Mannschaften für die Regimenter,

 

die Zeichen-Schulen,

 

die Vorkehrungen zur Wahl intelligenter und unbescholtener Männer zu Kreis-Taxatoren in die Stelle derer, welche mit der Landwirthschafts-Kunde nicht fortgeschritten sind.

 

Die Herausgabe eines amtlichen oder Regierungs-Blattes, wodurch alle Aufschub leidende Verordnungen zur Kenntniß der Staats-Bürger gelangen sollen.

 

Verfügungen in Angelegenheit des Elementar Schulwesens,

 

die Erörterung der Frage, ob das Etablissement einer Normal Kunst-Bleiche für das Schlesische Gebirge der Leinen-Bleicherei förderlich werden dürfte.

 

Die Einführung einer beßern Polizei in Warmbrunn,

 

die Veranlaßung des Vorschritts zu Reparatur der Waßer-Beschädigungen in den Aemtern Parchwitz, Wohlau und bei der Waaren-Niederlage zu Aufhalt.

 

Die Berathschlagung über Aufstellung von Normal-Sätzen für Dienst-Ablösung der dienstpflichtigen Einsaßen des Departements.

 

Krieges-Schäden-Vergütigung an die Pächter Ewr. König. Majestät Domainen-Aemter.

 

Die Veranstaltung einer Untersuchung der zu Carlsstadt bei Militsch etablirten Kunstbäder,

 

die Vorbereitung der Verhandlungen über die von den Gebirgs-Laboranten verlangte neue Verfaßung.

 

Unter der Rubrik von

 

dringenden Reformen und Verbeßerungen in der Administration

 

haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.

 

 

Die Liegnitzsche Regierung von Schlesien.

 

[gez.]