5 Liegnitz, 2. Juni 1812
Zeitungsbericht für Mai 1812
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16502, Bl. 28r-32r, Anlagen Bl. 33r-36r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum 10. Juni 1812.
[28r] Liegnitz den 2ten Junii 1812.
Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement der Liegnitzschen Regierung für den Monat May c.
Euer Majestät wollen den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement unserer Verwaltung für den Monath May d. J. in nachstehenden Anzeigen zu empfangen geruhen:
Witterung.
Des Windes herrschende Richtung war bis zum 26ten aus Nord-Westen, Norden und Westen, vom 27ten bis 31ten aber aus Süden und Süd Osten. Den höchsten Stand hatte das Réaumursche Thermometer in der Gegend von Liegnitz den 17ten Mittags, wo es 22 Grad über Null wies. Sein niedrigster Stand war den 8ten früh, und zwar 1 Grad über null. Vom 13ten bis 25ten war sehr fruchtbare Witterung, öfters Regen; Mit dem 26ten ist Trokenheit eingetreten. Die Winter-Getraide, sowohl als Sommer-Saat-Gefilde gewähren fast überall Hoffnung zu einer ergiebigen Erndte. Nun ist sehr zu bedauern, daß verschiedene Aeker wegen Mangel an Zugvieh und an Saamen, so die fremde Truppen beziehungsweise mit sich fortgenommen, und consumirt haben, ganz unbestellt geblieben sind.
Preise der Consumtibilien.
Die vormonathlichen Preise des Getraides auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements und das Verhältniß dieser Preise zu denen des benachbarten Auslandes werden in der unter dem Buchstaben A beigeschloßenen balancirten Designation pflichtschuldigst nachgewiesen.
Euer Majestät wollen aus dieser Nachweisung zu entnehmen geruhen, daß in dem abgewichenen Monat gedachte Getraide-Preise gegen die des Monats April c. zum Theil bedeutend gefallen sind.
Die Anlage unter litt. B verzeichnet die Quantitaet des im Monat April c. ein- und ausgegangenen Getraides und Gemüses.
Der Berliner Scheffel Kartoffeln gilt 20 gg: bis 1 r: 12 gg. MünzCourant.
Cours der Münz-Sorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel.
Das Agio vom MetallCourant hat seinen Stand nicht verändert. Von den Schlesischen Pfandbriefen gelten die großen 60 1/2, und die kleinen 66 proCent.
Die empfindliche Kälte, welche zu Anfang des Monats May in den Abend-Stunden herrschend war, verursachte den Menschen allerlei
Krankheiten.
Besonders wurde über Katarrhal-Zufälle und Brust-[29r]-Affectionen geklagt. Auch litten Viele am Rheumatismus. Durch die nachher eingetretene mildere Witterung sind jedoch alle diese Uebel entfernt worden, und den Arzten gewähren jetzt fast nur die im Frühlinge gewöhnlichen Wechsel-Fieber Beschäftigung. In einigen Dörfern des Schwiebusschen Creises aber zeigen sich Nerven-Fieber, die einen anstekkenden Charakter zu haben scheinen. Bereits 18 Personen sind in einem dieser Dorfschaften von ihnen aufgerieben.
Der Gesundheits-Zustand des Viehes ist erwünscht.
Unglücks-Fälle.
Zwei Personen nahmen sich aus Schwermuth selbst das Leben.
In dem Bezirk von Grünberg sind drei Feuersbrünste gewesen.
Am 6ten v. M. brandte die zu Seifersholz gehörige Waßer-Mühle ab.
Am 7ten wurde die Waßermühle zu Plothe mit sämmtlichen Wirtschafts-Gebäuden ihres Besitzers eingeäschert. Zugleich fanden deßen Vater und ein Sergeant von dem dort kantonirten 84ten französischen Linien-Infanterie-Regiment in den Flammen den Tod.
Am 9ten gingen die Gehöfte des Kutschners Menzel und Dreschgärtners Lincke zu Polame in Rauch auf.
Die Entstehungs-Ursachen dieser traurigen Ereigniße haben nicht ausgemittelt werden können.
Für die Rubrique:
[29v] Aufhören oder Entstehen bedeutender Policey-Institute
sind wir mit Materialien nicht versehen.
Summarische Nachweisung der Zuflüße in die König. Cassen.
Die Einnahme der Regierungs-Haupt-Casse hat in dem Monat May c. sich belaufen auf ..................... 81,323 r. 17 g. 9 4/5 pf.
Ausgegeben sind ......................... 75,338 - 10 -- 3 -
An Ueberschüssen zu den Staats Cassen sind aus den laufenden Gefällen abgeführt worden ............ 56,673 -- 8 --- 9
Grenz-Sache.
Von einer Heerde illyrischer Ochsen, welche durch Sachsen und Schlesien nach dem Herzogthum Warschau getrieben werden, hatte sich das Gerücht verbreitet, daß unter ihr die Seuche furchtbar wüthe. Auf Anordnung Euer Majestät Staats-Kanzlers, Freiherrn v. Hardenberg, wurde daher von uns der Regierungs- und Medizinal-Rath Doctor Kausch nach Dresden abgesendet, um die Natur der Krankheit jener Rinder zu erforschen und nöthigenfalls den Durchtrieb der letztern durch das hiesige Regierungs-Departement abzuwenden. Der p Kausch ist jetzt zurükgekehrt, und hat gemeldet, daß die Krankheit dieser von ihm von Freyberg bis gegen Sorau beobachteten Ochsen-Heerde keineswegs contagieus sey, sondern in einer bloßen Mattigkeit bestehe, welche von dem [30r] Ziehen der äußerst schweren Wagen, an welche sie gespannt seyen, herrühre. Zu Begründung seines Gutachtens bemerkt der Regierungs-Rath Kausch unter Andern, daß fünf jener erkrankten Ochsen in der Dresdner Thier-Arznei-Schule durch Brandwein, Bier und Brod in wenigen Tagen vollkommen hergestellt worden.
Militair-Sachen.
Das 4te Corps der Kaiserlich französischen Armée, welches unter den Befehlen des Herzogs v. Abrantes vier Wochen in dem hiesigen Regierungs-Departement cantonnirt, hat dasselbe in der Mitte des vorigen Monats verlaßen. Eben so ist die Reserve-Cavallerie unter dem General Comte de Grauchy, bestehend aus 8 Regimentern, vom 21ten May an aus ihren Cantonnements in das Herzogthum Warschau aufgebrochen. Auch die Kaiserlichen Garden, welche die lästigsten unter allen Französischen Gästen für die Quartierträger waren, folgten erstern Truppen vom 24ten deßelben Monats an, über die Oder nach. Den größten Druk für das Departement verursachte das bei dem Aufbruche jener Truppen erfolgte Mitnehmen und nachher das gewaltsame Zurükhalten einer bedeutenden Anzahl von Pferden in dem Herzogthum Warschau. Letztere rechnet man auf 6000 Stük. Von diesen kehrt zwar der Theil, der früher auf Mehl-Transporten nach Plock und Posen zurükbehalten worden war, in Folge [30v] der kräftigen Maaßregeln des Vice-Königs von Italien in diesen Tagen zurück. Aber diejenigen Pferde, welche das 4te Armée-Corps mit nach Pohlen genommen, sollten nach der Erklärung seines Heerführers, des Herzogs von Abrantes, an den von uns mitgegebenen Commissarius vor dem 1ten Junii c. nicht losgelaßen werden. Bei ihrer Rükkehr werden sie gewiß in einem äusserst elenden Zustande sich befinden. Von Seiten unserer ist nichts unversucht geblieben, um diese zur Zeit der Sommer-Saat-Bestellung doppelt große Calamitaet vom Departement abzuwenden. Indeß alle dießfällige Vorstellungen bei den fremden Machthabern sind vergeblich gewesen.
Seine Majestät, der Kaiser von Frankreich, sind am 29ten v. Mts. Nachmittags um 5 Uhr auf Dero Reise von Dresden nach dem Herzogthum Warschau in Bunzlau eingetroffen. Allerhöchstdieselben wurden dort von einer Deputation, welche aus mir, dem Regierungs-Praesidenten von Erdmannsdorff, und neun Mitgliedern der Ritter-Guths-Besitzer des Departements bestand, mit gebührender Achtung empfangen. Bei dem Wechseln der Pferde geruheten Seine Majestät Sich mit den Mitgliedern dieser Deputation auf das huldreichste zu unterhalten, auch einige angebotene Erfrischungen anzunehmen. In Haynau, wo des Kaisers Majestät zwei Stunden später eintrafen, und ein von der aus Dresden vorausgegangenen Küche zubereitetes Mal einnahmen, [31r] hat der Bürgermeister der Stadt vortreten müßen, und es ist derselbe von dem Kaiser auf die humanste Art über den Zustand des Landes im Allgemeinen, und über den jener, an der Militair-Straße belegenen Communitaet ins besondere, mit Bezug auf die jüngst statt gefundenen bedeutenden Truppen-Durchmärsche, befragt worden. In Glogau haben Seine Majestät am 30ten May nur wenige Stunden verweilet, und Morgens um 9 Uhr Ihre Reise weiter nach dem Herzogthum Warschau fortgesetzt.
Commercium.
Der Handel jeder Art liegt gegenwärtig ganz darnieder, indem selbst die Jahr-Märkte des Departements wegen der Störungen durch Militair-Märsche nicht gehörig abgehalten oder nicht besucht werden. Der gringe anderweite Absatz von Waaren gewährt den Profeßionisten und Fabrikanten nur einen äußerst kümmerlichen Unterhalt. Dies ist vorzüglich der Fall in Ansehung der wollenen Tücher und Leinen-Fabricate. Bei den Zoll-Aemtern unseres Verwaltungs-Bezirks wurden 63 Stük Schaafe, aber keine Wolle, im Monat April c. zur Ausfuhr declarirt. Die Quantitaet der im verfloßenen Monath bei den Zoll-Aemtern in Hirschberg, Schmiedeberg, Greiffenberg und Warmbrunn zur Exportation angesagten Leinen Waaren wollen Euer Majestät aus der unter dem Buchstaben C beigeleg-[31v]-ten Designation huldreich zu entnehmen geruhen. In Dänemark soll eine Erhöhung des Zolls für die fremden Manufactur Waaren im Werk seyn, die, wenn sie wirklich erfolgte, dem Leinwand-Handel Schlesiens in das Ausland einen neuen Stoß geben würde.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden
in unserem Verwaltungs-Bezirk haben sich im abgelaufenen Monat nicht ereignet.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung in eben gedachtem Monat waren
außer denjenigen, welche die allersubmißest beigefügten Nummern 19 bis 21 des zweiten Jahrganges unseres Amts-Blatts enthalten,
die Sorge für die Verpflegung der durchmarschirenden und kantonirenden fremden Truppen, welche Verpflegung besonders in den letzten Wochen wegen der völlig consumirten Rauchfutter-Quantitaeten sehr schwierig wurde, und wobei den bedrüktesten Gegenden, die nicht mehr in natura zu liefern vermochten, durch Entreprenneurs, so aus der Entfernung Vorräthe anschaffen vermochten, zu Hülfe gekommen werden mußte, um sie nicht gänzlichem Ruin Preis zu geben.
Die Besorgung der Pferde-Lieferung für die französische Armée, soweit sie das hiesige Regierungs-Departement traf. Sehr schwierig ward dieselbe bei dem [32r] gewaltsamen Zurükhalten einer so großen Anzahl Pferde auf den Transports in dem Herzogthum Warschau.
Die Anstalten zur prompten Beförderung der Reise Sr. Kaiserlichen Majestät von Frankreich durch das hiesige Departement.
Unter der Rubrik
dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]