8 Liegnitz, 5. September 1810
Zeitungsbericht für August 1810
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16500, Bl. 35r-38v, Anlagen Bl. 39r-42r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum fehlt.
[35r] Liegnitz den 5ten September 1810.
Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Liegnitzschen Regierungs-Departement für den Monath August c.
Euer König. Majestät wollen den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement unserer Verwaltung für den Monat August c. in nachstehenden Anzeigen allergnädigst zu empfangen geruhen.
Witterung.
In der ersten Hälfte des verfloßenen Monats fiel häufig Regen, wodurch auf der einen Seite die Erndte sehr erschwert und aufgehalten, auf der andern aber den Grünzeug-Feldern und Wiesen die nothwendige Feuchtigkeit zugeführt wurde. In der zweiten Hälfte war die Witterung überaus trokken. Vom 1ten bis zum 22ten herrschte Westwind, der bald nach Norden, bald nach Süden abwich. Vom 23ten bis 31ten fand Südwind statt, und seine Abweichung erfolgte mehr nach Morgen, als nach Abend. Der höchste Stand des Reaumurschen Thermometers war in der Gegend von Liegnitz den 21ten, 29ten und 30ten Mittags 22,5 Grad, und der niedrigste den 13ten und 19ten 9 Grad.
Ueber den Ausfall der Erndte läßt sich zur Zeit noch kein zuverläßiges Urtheil fällen, weil noch zu wenig Getraide ausgedroschen worden. Inzwischen glauben wir dieselbe im Ganzen, besonders bei der Winterfrucht, zu den ergiebigen zählen zu dürfen, wenn gleich hin und wieder Geringfügigkeit des Körner-Ertrages bemerkt [35v] wird. Die Flachs-Erndte hat, wie nach der kalten Witterung in den Monaten May und Juny vorauszusehen war, den Wünschen des Landmanns nirgends entsprochen.
Preise der Consumtibilien.
Aus der unter dem Buchstaben A beigeschloßenen balancirten Designation wollen Ewr. König. Majestät die vormonathlichen Preise des Getraides auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements, und das Verhältniß dieser Preise zu denen des benachbarten Auslandes zu entnehmen geruhen. Der Berliner Scheffeln Kartoffeln wird mit 20 gg. bis 1 r: Münze bezahlt.
Die Beilage sub L. B verzeichnet die Quantitaet des im August c. ein- und ausgeführten Getraides und Gemüses.
In der Nachweisung unter litt: C werden die Summen und Preise der eingeführten Colonial- und andern ausländischen Waaren designirt. Von selbigen ist das Gelbholz und der Schmak wegen Mangels etwas gestiegen; der Berliner Brod-Farin, und Rohzukker hingegen um 4 pro Cent im Preise gesunken. Die übrigen Waaren sind nicht theurer geworden, weil in den Häfen der Ostsee einige Zufuhr aus Amerika statt gefunden hat. Der
Cours der Münzsorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel
hat sich gegen den Monat July c. wenig geändert. Das Courant-Geld ist jetzt nicht mehr so selten als sonst. Die großen Schlesischen Pfandbriefe stehen 78 bis 79, die kleinen aber bis 82 pro Cent. Der
Gesundheits-Zustand
der Menschen ist gegenwärtig ganz gut. Auch herrschen [36r] keine Krankheiten unter dem Vieh, ausgenommen in der Herzoglichen Schaafheerde zu Wallisch, Saganschen Creises, welche von der Räude befallen ist. Die zu Entfernung dieses Uebels getroffenen zwekmäßigen Anstalten werden hoffentlich nicht ohne Erfolg bleiben.
Unglücksfälle.
In Sagan ist ein Schüler beim Angeln im Boberfluß ertrunken.
Die 1 1/2 jährige Tochter des Brandweinbrenners Kaye zu Schmarse im Schwiebusschen Kreise ist von einem Erndte-Wagen dergestalt überfahren worden, daß sie nach einer halben Stunde gestorben. Der Knecht, welcher diesen Wagen gelenkt, befindet sich wegen seiner Unvorsichtigkeit bereits in Untersuchung.
Am 6ten v. M. wurde der gewesene Ober-Kretschmer Tischer aus Baerberg, Loewenbergschen Kreises, in einem Wassergraben hinter dem Sächsischen Städtchen Marglissa todt gefunden.
Der Müller und Pachtschenke Just zu Nieder-Poitzenberg, deßelben Kreises, wurde bei Beschäftigung der zum Verkauf stehenden Waßermühle in Steinkirch von deren Waßerrade ergriffen und zerquetscht.
In Priebus wurde die Ehefrau des Apothekers Bock durch Spiritus, womit dieselbe beim Umsturz mehrerer mit diesem Materiale gefüllten Bouteillen begoßen worden war, und der an ihr sich durch die Flamme eines Lichts entzündet hatte, so sehr beschädiget, daß sie 4 Tage nachher ihren Geist aufgeben mußte.
Der 33 Jahre zählende Häusler Schoel zu Pilgramsdorff [36v] im Goldbergschen Creise verlohr sein Leben durch einen Fall auf einen spitzigen Stein in dasigen herrschaftlichen Steinbruch.
Am 2ten v. M. ermordete ein Kaiserlich Oesterreichischer Deserteur Nahmens Michael Wirth, in dem Walde des eben genannten Dorfes einen wandernden Seifensieder-Gesellen aus Posen. Der Mörder wurde jedoch bei der That ertapt, festgenommen, und nach Goldberg, dann aber an das hiesige Inquisitoriat zur Einleitung des Criminal-Prozeßes wider ihn abgeliefert. Es wird von Seiten der Regierung Nachforschung gehalten, ob jener Deserteur mit einem Reisepaße versehen gewesen, und ob denjenigen Behörden, die denselben ausgestellet, nichts zur Last fällt.
Drei Personen haben sich im abgewichenen Monat aus Schwermuth selbst entleibet.
In Wültschkau, Liegnitzschen Creises, ist eine Freigärtner-Nahrung, und zu Lindhardt im Luebenschen, eine Dreschgärtnerstelle durch unbekannt gebliebene Veranlaßung in Brand gerathen und eingeäschert worden.
Am 17ten v. M. brach zu Nieder Giesmannsdorff, Loewenbergschen Creises, in einer Bauer-Nahrung Feuer aus, welches dieselbe mit dazu gehöriger Oelpoche und einer Gärtnerstelle verzehrte.
Dem Stadt-Pfarrer Canonicus Schneider in Gross-Glogau ist durch nächtlichen Einbruch eine ansehnliche Summe Geldes genommen worden; den Thäter aber hat man bis jetzt noch nicht entdekt.
Unter der Rubrick
Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei-Institute
haben wir für dieses Mal nichts anzuzeigen.
[37r] Summarische Nachweisung der Zuflüße in die König. Cassen.
Die Einnahme für den Monath August c. hat bei der Regierungs-Haupt-Casse sich belaufen auf 106,294 r: 10 gg. 5 pf.
Die Einnahme-Reste betragen ------ 39,232 -- 17 -- 2 2/5.
Ausgegeben sind ----------------- 106,892 --- 1 -- 7 1/5.
An Ueberschüßen zu den Staats-Cassen sind abgeführt worden
a) aus den laufenden Gefällen ------ 90,813 -- 16 ---------
b) aus der Krieges-Resten-Casse
pro 1808/9 566 -- 17 -- 8 -
c) an eingegangenen Nachzahlungen
ex anno 1809/10 ------------------ 14,961 --- 1 --- 5.
Militair-Sachen.
Die Stärke der fremden Besatzung von Gross Glogau hat sich im vorigen Monat nicht verändert. Das Benehmen dieser Garnison und des die Function des Commandanten noch versehenden Obrist-Lieutenants Delessard hat die Zufriedenheit der Stadt.
Von der Gränze.
sind uns keine Nachrichten zugegangen, welche für Ewr. König. Majestät Intereße haben könnten.
Außer der erfolgten Amts-Entsetzung des Syndici Feye in Guhrau wegen Trunkergebenheit sind keine
Veränderungen bei öffentlichen Behörden
vorgekommen.
Commercium.
Die Tuchhandlung geht fortwährend nach Wunsch, und es wird daher von den Tuchmachern fleißig gearbeitet.
Bei den Zoll-Aemtern unseres Departements sind im Monat August c. 52 Stein 18 14/37 lb. Wolle, Berliner Gewicht, [37v] imgleichen 26 Stük bewolltes, und 658 Stük unbewolltes Schaafvieh zur Ausfuhr declarirt worden.
Auch der Verkehr mit Schlesischer Leinwand ist jetzt sehr lebhaft, obgleich die Sperre der Häfen den Absatz in Hamburg und Bremen erschwert, und den Gewinn schmälert. Auf hiesigen Märkten stehen auch zur Zeit die Preise der Leinen Waaren höher, als in Hamburg. Kaufleute aus Böhmen haben besonders die niedrige Waare so gut bezahlt, daß ein reisender Hamburger seine eigene schon zum Versenden fertig gewesene Waare in Waldenburg an einen Böhmischen Kaufmann abgelaßen hat. In dem Zeitraum von einigen Monathen sind an 50,000 Stük Leinwand nach Böhmen exportirt worden. 184 Kisten wurden aus dem Gebirge theils in andere Provinzen Ewr. König. Majestät, theils in das Ausland über Aufenthalt auf der Oder versendet. Ihr Werth wird zur Summe von 69,250 r: berechnet.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im verfloßenen Monat waren:
Die fernere Regulirung des Servis-Wesens, besonders in Bezug auf den Provinzial-Servis-Etat pro 1810/11.
Die Verfügungen wegen Zusammenziehung der Truppen Behufs der Herbst-Uebungen,
die Auseinandersetzung der Gemeinheiten in der Domaine Groß-Baudis, die Aufhebung des dasigen Dienst-Verhältnißes, und sonstige, auf den Verkauf dieses Amts Bezug habende Dispositionen,
die Fortsetzung des Veranschlagungs-Geschäfts der Do-[38v]-maine Priedemost, und insbesondere die einen günstigen Erfolg für den Fiscus versprechende Einleitungen zur Ablösung der Zehnt-Gerechtigkeit auf den Unterthanen-Aekkern.
Vorkehrungen gegen weitere Verbreitung der in einigen Gebirgs-Dörfern ausgebrochenen Menschenblattern, und Hinwirkung zur Einführung einer allgemeinen Saccination,
die Bewirkung einer beßern Polizei in Beziehung auf das Wandern der Handwerks-Burschen, damit dem Fechtunwesen gänzlich gesteuert werde.
Vorschläge an das Ministerium des Innern, um das Paßwesen in vorschriftsmäßige Ordnung zu bringen,
die Einleitung, daß im Jauerschen Creise, woselbst das Brenn-Materiale sehr kostbar ist, Gemeinde-Baköfen eingerichtet werden,
Veranstaltung von Apotheken-Revisionen.
Unter der Rubrick von
dringenden Reformen und Verbeßerungen in der Administrations
glauben wir uns zur Zeit noch der Vorschläge enthalten zu müßen.
Schlüßlich kommen wir nicht umhin, Ewr. Königlichen Majestät ehrfurchtsvoll zu versichern, daß die Sprache zu arm ist, die tiefen Gefühle der Freude zu schildern, welche der Gedanke, daß Allerhöchstdieselben Sich jetzt in der Provinz befinden, in den [38v] beglückten Herzen aller treuen Schlesischen Unterthanen unterhält.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]