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Zeitungsbericht für Juli 1815

 

GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16505, Bl. 47r-52r, Anlagen Bl. 53r-56r. Referent Erdmannsdorff.

 

[47r] Liegnitz den 1ten August 1815.

 

Haupt-Zeitungs-Bericht vom Liegnitzschen Regierungs-Departement für den Monat July d. J.

 

 

Ewr: Majestät verfehlen wir nicht den uns obliegenden Haupt-Zeitungs-Bericht von dem uns anvertrauten Departement für den verfloßenen Monat in nachfolgenden Anzeigen allerunterthänigst zu erstatten:

 

Die Witterung

 

war, sowie im Juny auch in dem verfloßenen Monat kühle, an manchem Tage sogar kalt, und den ganzen Monat hindurch unbeständig, so daß nur wenig Tage ganz angenehm blieben.

 

Es zeigt sich, leider! jetzt immer mehr, daß Mangel an Wärme dem Gedeihen der Feld- und Garten-Früchte sehr nachtheilig gewesen ist.

 

Die Unbeständigkeit der Witterung, ohne daß eigentliche Näße statt findet, erschwerte dem Landmann die noch nicht überall beendigte HeuErndte und wird ihm jetzt bei der begonnenen GetreideErndte, bei dem sehr fühlbaren Mangel an arbeitenden Händen, hinderlich.

 

Ueber die Ergiebigkeit der Winter-Feldfrüchte läßt sich zwar jetzt noch nicht mit Sicherheit urtheilen, allein auf einen reichen Körner-Ertrag dürfte nicht zu rechnen seyn, da die späte Kälte und Fröste der Roggen- und Weitzen-Blüthe offenbar geschadet haben.

 

Mit der Gebunde-Zahl ist der Landmann zufrieden.

 

Der höchste Stand des Thermometers nach Réaumur war in der Gegend von Liegnitz am 23ten v. M. Mittags 19, und der tiefste am 3ten und 14ten, 5 Grad [47v] über den Gefrier-Punkt; in Hirschberg stand daßelbe am 5ten v. M. nur 1 Grad über den Eispunkt.

 

Meistentheils blies der Wind im vorigen Monat aus Nordwesten.

 

Am 19ten v. M. fand hier und in hiesiger Gegend ein äußerst merkwürdiges Phänomen statt. Nachdem es an diesem Tage Vormittags etwas geregnet hatte, war der Himmel wieder heiter geworden. Aber nach 1 Uhr Nachmittags entstanden am nordwestlichen Horizont dunkle Wolken, und bald nach 2 Uhr hörte man in der Ferne einen rollenden Donner. Dieser kam immer näher, und dieser rollende Donner hielt zwar mit veränderter Stärke, aber ohne alle Unterbrechung über eine halbe Stunde an.

 

Der Himmel hatte sich jetzt ganz mit Wolken überzogen, aber von Blitzen wurden nur einige schwache bemerkt.

 

Es fiel hierauf ein heftiger Platzregen, der Hagel, zum Theil von der Größe einer mitteln Wallnuß mit sich führte und nicht unbedeutenden Schaden angerichtet hat.

 

Mit dem etwa 20 Minuten lang angehaltenen Platzregen und Hagel hörte auch der rollende Donner auf. Wahrscheinlich hatte dieser seinen Grund in einer plötzlichen Bildung der Wolken.

 

Preise der Consumtibilien.

 

Aus ehrerbietigst angeführter Nachweisung mit dem Buchstaben A geruhen Ewr: Majestät [48r] allergnädigst zu entnehmen, welche GetreidePreise im Laufe des vorigen Monats auf den Märkten der vorzüglichsten Städte im hiesigen Departement stattgefunden haben, und wie diese sich zu den Preisen in Böhmen und in den benachbarten Herzogthümern Sachsen und Posen verhalten. Der Preiß der Kartoffeln im vorigen Monat war dem im Juny d. J. gleich, indem man den Berliner Scheffel ebenfalls zu 14 bis 16 g: kaufte.

 

Der Cours der Münzsorten, Staats- und Communal-Papiere, sowie der kaufmännischen Wechsel

 

hat sich gegen den im Juny nicht bedeutend verändert, doch hat er sich etwas gehoben.

 

Das stattgefundene Steigen des Goldes hatte seinen Grund  in der Messe zu Frankfurt an der Oder.

 

Die größern schlesischen Pfandbriefe hat man mit 98 Procent bezahlt, die kleinern aber, welche gewöhnlich keinen bestimmten Cours haben, galten al pari.

 

Der Gesundheits-Zustand

 

der Menschen im hiesigen Departement war im Ganzen genommen erwünscht. Denn wenn gleich der hie und da ausgebrochen gewesene Typhus, sowie die natürlichen Blattern einige Besorgniße erregten: so ist es doch geglückt die Ausbrüche dieser Uebel durch die dagegen getroffene polizeilichen Vorkehrungen [48v] alsbald zu unterdrücken. Auch die anderweiten Kinder-Krankheiten vermindern und verliehren sich.

 

Die in zwey Dörfern des Grünbergschen Creises unter dem Rindvieh ausgebrochene Tollkrankheit scheint sich auch ihrem Ende zu nahen, und der durch die Kaiser: Rußischen Truppen-Märsche in mehreren Ortschaften des Fürstenthums Trachenberg herbeigeführte Ausbruch des Rotzes unter den Pferden ist durch das angeordnete Tödten vieler Pferde gleichfalls schon sehr gedämpft worden, so daß wir bei reger Aufmerksamkeit auf diesen sehr bedeutenden Gegenstand ein weites Umsichgreifen dieses Uebels nicht besorgen.

 

Unglücksfälle,

 

haben sich im vorigen Monat wieder mehrere ereignet.

 

In Bunzlau beschädigte sich der 12jährige Sohn einer Soldaten-Wittwe Nahmens Kothe durch das Herunterfallen von einer Stange auf dem Uebungs-Platze der dortigen Waysenhaus-Schüler, welche er ohne Aufsicht bestiegen, so, daß er 2 Tage nachher, seinen Geist aufgeben mußte.

 

Der Strumpfstricker Hoffmann aus Gottesberg fand seinen Tod, weil er bei dem Besteigen des Thurms in Kupferberg aus Neugierde, der großen Glocke, die eben geläutet wurde, [49r] zu nahe kam, und von derselben so sehr beschädiget wurde, daß er schon 4 Stunden nachher verstarb.

 

In der Nähe von Kupferberg fand auch ein junger Bergmann Nahmens Horn seinen Tod durch das Fallen in einen Schacht.

 

In Naumburg am Bober wurde ein 16jähriges Mädchen in einer Sandgrube verschüttet, in der sie, weil niemand bei ihr war, ersticken mußte.

 

In Guhrau fand man eines Morgens eine todte ledige Frauensperson Nahmens Biedermann in einem vorstädtischen Brunnen, in den sie sich wahrscheinlich schon den Abend vorher gestürzt hatte. Sie war krank gewesen und hatte je zuweilen Spuren von Verstandes-Zerrüttung blicken laßen.

 

In Düppelsdorff, Loewenbergschen Creises verlohr ein noch nicht zweijähriger Knabe sein Leben durch den Genuß unvorsichtig aufgestellt gewesenen Fliegengifts.

 

In Schreiberhau Hirschbergschen Creises starb eine Dienstmagd Nahmens Hase eines elenden Todes. Sie war nähmlich 6 Wochen vorher von einem tollen Hunde gebißen worden, und obgleich die beiden dortigen Wundärzte alle bekannte Mittel angewandt haben wollen [um] die unglücklichen Folgen von ihr abzuwenden, so brach doch die Waßerscheu bei ihr aus, so daß ihr Leben nicht zu retten war.

 

Wir schließen die Anzeigen unter dieser Rubrik mit der Erwähnung, daß der Hagel den Getraidefeldern und Gärten im vorigen Monat [49v] theilweise sehr bedeutenden Schaden im hiesigen Departement zugefügt hat, und mancher unter den Beschädigten sehr wenig einerndten wird. Auch dem Heu-Gewinnst in den Creisen welche von Gebirgswäßern durchströhmt werden, wurde das oftmals plötzliche Anschwellen den letztern nachtheilig, weil das Waßer viel Heu mit wegnahm.

 

Patriotische Handlung.

 

Als eine solche müßen wir die des Kaufmanns Roppan zu Jauer rühmen. Da derselbe seinen Sohn erwiesener körperlicher Untauglichkeit halber nicht in die Reihe der Vaterlands-Vertheidiger stellen konnte, bethätigte er seine Theilnahme an der großen Sache  des Vaterlands durch ein Geschenk von 150 r. für freiwillige Vertheidiger des Vaterlandes oder sonst zu guten Zwecken.

 

Wir haben dieses Geschenk mit zur Unterstützung der in den Schlachten in den Niederlanden verwundeten Schlesier bestimmt, und das Publikum durch unser Amtsblatt davon unterrichtet.

 

Belobung eines lange und gut gedienten Civil-Unterbeamten.

 

Nach einer Anzeige des Landraths Lübenschen Creises von Nickisch hatte der dortige Creis-[50r]-Dragoner Johann Friedrich Haendel Ausgangs Juny dieses Jahres sein 80stes Lebensjahr erreicht, und seit dem Jahr 1756 bis zu seiner im Jahr 1795 erfolgten Anstellung als Creis-Dragoner den Ruf eines tüchtigen Soldaten, in seinem Beruf als Civil-Diener aber den eines thätigen und musterhaften Unter-Beamten stets bewährt, welchen Beruf er seines hohen Alters  ohnerachtet, unverdroßen zu erfüllen fortwähnt.

 

Wir haben zwar dem Haendel unser Dank und unsere Zufriedenheit durch unser Amtsblatt öffentlich bezeigt, müßen aber dennoch Ewr Majestät eine außerordentliche Prämie für diesen alten treuen Diener allerunterthänigst anheim stellen.

 

Polizei-Institute,

 

sind im hiesigen Departement im vergangenen Monat weder entstanden noch eingegangen.

 

Der

 

Zustand der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse im vorigen Monat

 

geruhen Ewr: Majestät aus der mit dem Buchstaben B bezeichneten Beilage allergnädigst zu entnehmen.

 

Gränz-Sachen.

 

Aus dem Militsch-Trachenbergschen Creise zeigt man uns an, daß der gemeine Mann im Grosherzogthum Posen mit der Regierungs-Veränderung sehr zufrieden sey. Bey dem Anschlagen der Preuß: Adler in Bombst ist es zwischen den katholischen und evangelischlutherischen Einwohnern zu Thätlichkeiten gekommen, weil die Katholiken den Juden, welche der Procession, mit der der Adler in die katholische Kirche getragen worden, [50v] beiwohnten, den Eintritt in die Kirche gewaltsam verweigerten.

 

Von der Gränze des Herzogthums Sachsen erhalten wir die Anzeige, daß dort die gebildetere Klasse mit der Veränderung der Landeshoheit zufrieden zu seyn scheine, und eben so laut Anhänglichkeit an Ewr: Majestät glorreiches Haus, als Haß und Verachtung gegen Napoléon Bonaparte äußern.

 

Von

 

Militaribus

 

haben wir nichts weiter anzuzeigen, als daß dem Stadt- und Landbewohner der eben stattfindende Durchzug des Kaiser: Rußischen Armee-Corps unter den Befehlen des Generals Grafen von Wittgenstein, besonders zur Zeit der Erndte sehr fühlbar wird.

 

Am lautesten erschallen die Klagen über den stets mit Zuschüßen für die Quartierstände verbundenen Druck der Einquartierung aus Glogau, und daß dieser, vorher so blühende Ort nunmehr, nachdem die Hoffnung verschwunden sey, daß eins der Dikafferien, die zuvor ihren Sitz dort hatten, diesen wieder dort erhalten, in den Zustand der Verarmung gerathen müße.

 

Handels-Gegenstände.

 

Von den Tuch-Negocianten und -Fabrikanten wird über das vorkommende Stocken des Tuchverkehrs besonders nach Osten und die strenge Grenz-Sperre des Rußischen Reichs sehr geklagt.

 

Fast nur von Grünberg aus werden noch Tücher nach [51r] Preußen gesandt. - Auf der lezten Frankfurther Messe fanden nur ordinaire Tücher Absatz.

 

Zufriedener ist man mit der Ausfuhr der leinenen Waaren aus dem schlesischen Gebürge, da die Exportation von dergleichen auch im vorigen Monat besonders nach Hamburg und nach Italien nicht unbedeutend war.

 

Man schmeichelt sich, daß der Handel mit dieser Waare nach Wiederherstellung der allgemeinen Ruhe sich wieder heben und zu einigen Flor gelangen werde.

 

Jetzt fehlen auch der Leinen-Manufaktur die arbeitenden Hände sehr.

 

Was im vorigen Monat bei den Zoll-Aemtern zu Hirschberg, Schmiedeberg, Greiffenberg und Warmbrunn an Leinen Waaren zur Exportation declarirt worden, geruhen Ewr: Majestät aus der mit dem Buchstaben C bezeichneten Beilage allergnädigst zu entnehmen.

 

Veränderungen bei öffentlichen Behörden im Departement

 

haben im vorigen Monat sich nicht ereignet, da die von Ewr: Majestät beschloßene Abtheilung der Provinzen Ewr: Majestät Staaten nach neuen Regierungs-Departements rücksichtlich Schlesiens noch nicht zur Ausführung gekommen ist.

 

Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im vorigen Monat waren:

 

1.) die Vorsorge für die Verpflegung der auf beiden durch das hiesige Departement gehenden Haupt-Militair-Straßen marschirenden vaterländischen und Kaiser: Rußischen Truppen.

 

Die Zahl der leztern betrug vom 1ten May bis in die Mitte des Juny d. J.

 

12 Generale

 

494 Staabs-Offiziere

 

2876 Ober-Offiziere

 

124,266 Unteroffiziere und Gemeine

 

45,455 Pferde.

 

Gegenwärtig befindet sich das gesammte Kaiser. Rußische 2te Armee-Corps unter dem Befehl des Generals, Grafen von Wittgenstein auf dem Durchmarsche durch das hiesige Departement, welches Corps uns zu 80,000 Mann und 14,000 Pferden angegeben worden, und ungetheilet auf der Straße über Guhrau, Glogau, Sagan nach Sachsen ziehet.

 

2.) Beschäftigte uns die Beschaffung der außerordentlichen Kriegsleistungen, die von dem hiesigen Departement verlangt worden, sowohl Behufs der Bekleidungs-Bedürfniße für die aus Schlesien der Armee nachfolgenden Mannschaften, als auch Behufs des Approvisionnement der Vestung Glogau.

 

3.) waren wir mit den Anordnungen zur Aushebung der Mannschaften beschäftigt, welche zur Ergänzung des stehenden Heeres und der Landwehr gefordert worden, und

 

4.) mit der Vorsorge, daß der an einigen Orten [52r] des Departements durch den Durchmarsch der Kaiser: Rußischen Truppen herbeigeführte Ausbruch typhiöser Krankheiten unterdrückt wurde.

 

Außer vorstehend bemerkten Gegenstände beschäftigten uns diejenigen, von welchen die ehrerbietigst beigeschloßenen Nummern 27 bis 30 des 5ten Jahrganges unseres Amtsblatts reden.

 

Von

 

dringenden Reformen und Verbeßerungen in der Administration

 

haben wir für jetzt keine Vorschläge zu machen.

 

 

Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.

 

[gez.]