12 Liegnitz, 4. Januar 1812
Zeitungsbericht für Dezember 1811
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16501, Bl. 87r-92r, Anlagen Bl. 93r-96r. 3 geheftete und 3 lose Bogen. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum 11. Januar 1812.
[87r] Liegnitz den 4ten Januar 1812.
Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement der Liegnitzschen Regierung für den Monat December 1811.
Euer Majestät wollen den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem uns anvertrauten Landes-Bezirk für den Monat December 1811 in nachstehenden Anzeigen allergnädigst zu empfangen geruhen:
In der ersten Hälfte dieses Monats war mäßige Kälte, in der zweiten hingegen Näße der herrschende Charakter der
Witterung.
Der Wind kam gewöhnlich aus Westen und Nordwesten. Der höchste Stand des Réaumurschen Thermometers war in der Gegend von Liegnitz am 21ten Mittags 7 Grad über, und der niedrigste am 12ten und 31ten Abends 4 Grad unter dem Gefrierpunkt. Die Winter-Saaten stehen überall Hoffnungsvoll. Der Landmann wünscht sich Glük dazu, daß er bei dem von Zeit zu Zeit statt gehabten offenen Frost dieselben abzuweiden, und dadurch nicht nur deren Ueberwachsen zu verhüten, sondern auch viel Rauchfutter zu ersparen vermocht hat.
Preise der Consumtibilien.
Die unter dem Buchstaben A beigeschloßene balancirte Designation weiset nach, welche Preise das Ge-[87v]-traide im abgewichenen Monat auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements gehabt, und wie diese Preise sich zu denen des benachbarten Auslandes verhalten. Gegen den vorigen Monat, hat ein nicht unbedeutendes Steigen der Getraide-Preise auf den mehresten Marktplätzen des hiesigen Regierungs-Departements statt gefunden, was die Besorgniß sehr hoher Getraidepreise, sobald der Landmann den nicht ergiebigen Ausdrusch der letzten Erndte wird veräußert haben, erweket.
In der Anlage unter Litt: B wird die Quantität des im Monat November 1811 ein- und ausgegangenen Getreides und Gemüses verzeichnet. Der Berliner Scheffel Kartoffeln galt im letzten Monat 9 bis 16 gg. Real-Münze.
Cours der Münz-Sorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel.
Das Agio vom Courant-Gelde ist noch, obwohl nicht bedeutend, höher gestiegen; das vom Golde hingegen etwas herunter gegangen. Von den Schlesischen Pfandbriefen stehen die großen 68 1/2 und die kleinen 74 pro Cent.
Bei der in der zweiten Hälfte des vergangenen Monats geherrschten ungewöhnlich gelinden und feuch-[88r]-ten Witterung haben sich die
Krankheiten
unter den Menschen sehr vermehrt. An verschiedenen Orten nahmen dieselben einen asthenischen, auch wohl nervösen Charakter an. Die an Gicht-Zufällen und Rheumatismen Leidenden wurden nicht wenig mitgenommen. Katarrhal-Fieber waren zahlreich. Das Scharrlach-Fieber will noch immer nicht den Jauerschen Kreis verlaßen. Vor Kurzem hat sich selbiges in der Stadt Jauer dergestalt ausgebreitet, daß wir die dortige Polizei- und Medizinal-Behörde auffordern mußten, dagegen die vorgeschriebenen Maaßregeln zu ergreifen. Indessen sterben nur wenige Kinder an dieser Krankheit. Zu Hertwigswaldau, Jauerschen, und in Pohlewitz, Liegnitzschen Creises, ist auch ein für anstekkend zu haltendes Nerven-Fieber ausgebrochen. Zu deßen Bekämpfung sind bereits die erforderlichen Anordnungen getroffen.
Der weitern Verbreitung der hie und da zum Vorschein gekommenen natürlichen Blattern hoffen wir durch die verfügte Schutz-Pokken-Impfung Ziel gesetzt zu haben.
Im Bezirk von Wohlau wurden Menschen und [88v] Thiere von einem tollen Hunde gebißen, jedoch sogleich das schädliche Thier getödtet, und Vorkehrung gemacht, die Gefahr von den gebißenen Menschen abzuwenden. An diesen bemerkt man auch zur Zeit noch nicht Hydrophobie, beim Rindvieh aber war dieselbe schon eingetreten.
Von der Viehpest ist das Departement unserer Verwaltung nunmehr überall befreit. An dem Milzbrande fällt noch Rindvieh hin und wieder.
Unglücks-Fälle.
Vier Einwohner des Departements nahmen sich aus Schwermuth selbst das Leben.
Zu Kaintzen und Lanken, im Guhrauschen Creise, fanden zwei Kinder den Tod in der Dünger-Grube.
Der Häusler John zu Alt-Beckern, Liegnitzschen Creises, ertrank im Mühlgraben.
Am 18ten November v. J. wurde der inactive Lieutenant von Tschirnhaus vom ehemaligen Cuerassier-Regiment von Bünting von dem gleichfalls inactiven Lieutenant Du Fay vom aufgelöseten Fusilier Bataillon von Yvernois in dem Landguthe des Lieutenant v. Baloin vor dem Bolkenhayner Thore von Jauer durch einen Stich in die Brust dergestalt verwundet, daß er den folgenden Tag sterben mußte. Der Du Fay ist zwar bald nach die-[89r]-ser That entflohen, am 22ten November aber freiwillig zurükgekehrt, und darauf sogleich nach Schweidnitz Behufs der gegen ihn zu veranlassenden Criminal-Untersuchung abgeliefert worden.
In der Nacht vom 11ten auf den 12ten Decbr: v. J. hat ein zuletzt als Kutscher bei dem Major und Commandeur des zweiten Schlesischen Husaren-Regiments, von Eicke zu Lueben in Diensten gewesener Mensch, Nahmens Werner, den Juden Beer Salomon aus Schlichtingsheim auf der Straße zwischen Gramschütz und Priedemost, Glogauschen Creises, ermordet. Der Werner wurde bald nachher, von Stekbriefen verfolgt, in hiesiger Stadt aufgegriffen, und in strenge Verwahrung gebracht. Raubbegier hat ihn nach seinem eigenen Geständniß zu jenem Verbrechen verleitet.
Zu Leipe, im Glogauschen Creise, hat der Freibauer Vorwerg, durch eine bei ihm ausgebrochene Feuersbrunst seine Wohnung, Ställe und Scheuer mit allem in letztrer befindlich gewesenen Getraide verlohren. Auch sind sein Dienstknecht, 4 Kühe und 2 Ochsen mit verbrannt. Ueber die Entstehungs-Ursache dieses Unglücks sehen wir dem nähern Bericht des Landraths noch entgegen.
[89v] In Boberwitz, Sprottauschen Creises, sind 5 Häusler-Stellen und in Klein Heinersdorff, Grünbergschen Bezirks, des Bauers Hoepfner Wohn- und Stall-Gebäude nebst der Scheuer mit allem Getraide in Asche verwandelt worden. An ersterem Orte hat die Art, wie das Feuer entstanden, nicht ausgemittelt werden können. In Heinersdorff aber soll es durch die Unvorsichtigkeit des bei dem Hoepfner gedienten, in den Flammen mit umgekommenen Knechts veranlaßt worden seyn.
In Flinsberg, und Klein Neundorff, Loewenbergschen Creises, ist am ersten Ort eine Häusler-Stelle, und an letzterm das Gehöft eines Gärtners in Rauch aufgegangen. Bei dem Brande in Flinsberg kam zugleich der Sohn des Damnificaten um das Leben, und der Inlieger Bergmann wurde dergestalt beschädigt, daß er am folgenden Tage starb. Dem Creis-Landrathe ist es nicht gelungen, den Ursprung dieser Feuers-Brünste zu erforschen.
Zu Hockenau, im Goldberg-Haynauschen Creise, brandte das Gehöft des Häuslers Trogsch nieder. Man vermuthet, daß dieses Unglük durch Asche herbeigeführt worden, welche Damnificat auf dem Vorföller seines Hauses in einer Tenne auf-[90r]-bewahret hatte.
Für die Rubrik
Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei-Institute
liegen uns keine Materialien vor.
Summarische Nachweisung der Zuflüße in die König. Cassen.
Die Einnahme der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse hat in dem Monat December 1811 sich belaufen auf ................................................. 109828 r. 1 g. 3 1/5 pf.
Ausgegeben sind ............................... 112156 -- 3 - 8 2/5.
An Ueberschüßen zu den Staats
Cassen sind aus den laufenden Gefällen
abgeführt worden ............................... 92042 - 16 --------
Militaria.
Am 22ten Decbr: v. J. ist das 85ste französische Linien-Infanterie-Regiment, 4000 Köpfe stark, von Cüstrin kommend, in Glogau eingerükt. Ausserdem treffen daselbst täglich kleinere Truppen-Abtheilungen zur Verstärkung der dortigen Garnison ein, so daß dieselbe mit Einschluß der älteren, aus pohlnischen und sächsischen Truppen bestehenden Besatzung bereits auf 6500 angewachsen ist. Da es noch ungewiß, ob diese große Truppenzahl in Glogau bleiben, oder nach dem Herzog-[90v]-thum Warschau marschiren dürfte, so sind die Bewohner jener Stadt wegen der Einquartierungs-Last in nicht geringer Besorgniß.
Grenz-Sachen.
Das nach unserer allergehorsamsten Zeitungs-Relation für den Monat November v. J. in Grenzdörfer der Ober-Lausitz am Queis eingerükte sächsische leichte Infanterie-Regiment befindet sich noch jetzt daselbst. Weiter rükwärts in den Lausitzen kantoniren 5 Cavallerie-Regimenter und diesseits der Elbe steht die gesammte sächsische Armee auf dem Feld-Etat.
Aus Pohlen vernimmt man, daß die dortige Armée ausser einigen Depot-Bataillons, welche in der Gegend zwischen Posen und Bromberg cantoniren, immer noch bei Warschau concentrirt stehe. Der Uebertritt pohlnischer Soldaten und Cantonisten in hiesige Provinz ist jetzt stärker, als sonst. Durch Mangel werden viele derselben zu Diebstählen verleitet, wie man dies erst neuerlich wieder in dem Militsch-Trachenbergschen Creise zu bemerken Gelegenheit gehabt hat.
[91r] Veränderungen bei öffentlichen Behörden
in unserem Verwaltungs-Bezirk haben sich im abgewichenen Monat nicht ereignet.
Commercium.
Die Stokkung des Tuchhandels dauert in Folge der Euer Majestät bereits bekannten ungünstigen Verhältniße noch immer fort.
Bei den Zoll-Aemtern unsers Departements wurden im November v. J. 324 Stük Schaafe und im 2ten Quartal 1811/12 2118 Stein 3 lb. Wolle Berliner Gewicht zur Ausfuhr declarirt.
In den blühendsten Zeiten des schlesischen Leinwandhandels war der Monat December gewöhnlich arm an bedeutenden Nachrichten von dem großen Handels-Verkehr auf den Marktplätzen Europens. Der jetzt abgewichene vierwöchentliche Zeitraum muß dieses um so mehr seyn, als für die Provinz Schlesien leider! fast aller Handel in das Ausland aufgehört hat.
Die Quantitaet der im Monat December v. J. bei den Zoll-Aemtern in Hirschberg, Schmiedeberg, Greiffenberg, und Warmbrunn zur Exportation angesagten Leinen Waaren wollen Euer Majestät aus der angeschlossenen Designation [91v] unter litt: C huldreich zu entnehmen geruhen. Aus derselben ergiebt sich zwar in Ansehung des Geldwerths der ausgeführten Waaren gegen den Monat December 1810 ein Plus von 10546 r. Dies kann jedoch in sehr zufälligen Umständen seinen Grund haben, wie solches schon sehr beweisend durch das Minus des Monats November v. J. von 48374 r. erklärt wird.
Garne werden fortwährend stark begehrt. Es ist dies theils dem niedrigen Cours der Scheidemünze, theils dem Umstande zuzuschreiben, daß bei vielen Artikeln leinene Garne die Stelle der theuren baumwollenen vertreten müßen, und daß die Weberei in Böhmen und andern Ländern, wo es noch Auswege giebt, sich emporhebt.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im abgewichenen Monat waren:
Die Anordnung einer Landes-Visitation und Vagabonden-Jagd, besonders in den an das Breslausche Regierungs-Departement grenzenden Creisen, wegen einiger in letzterm vorgefallenen gewaltsamen Beraubungen,
Diejenigen Verfügungen, welche bei der Regierungs-Haupt-Casse sowohl, als bei sämmtlichen öffentlichen Spezial-Cassen in dem Bezirk unserer [92r] Administration zur Ausführung des so wohlthätigen, von den steuerpflichtigen Unterthanen besonders mit innigsten Dank aufgenommenen Allerhöchsten Edicts vom 13ten Decbr: 1811 im Betreff der Einschmelzung und Umprägung der Scheidemünze in Courant nothwendig geworden sind.
Einleitungen zur Ausführung des Edikts vom 6ten December 1811 über die Erhöhung der Beiträge zur Verpflegung der französischen Truppen in den Oder-Festungen und auf den Märschen vermittelst einer Claßensteuer.
Ausser diesen Gegenständen sind Vorwurf unsrer Bearbeitung diejenigen Objecte gewesen, welche die allerunterthänigst beigeschlossenen Nummern 32 bis 35 unsers Amtsblatts enthalten.
Unter der Rubrik
dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]