9 Liegnitz, 4. Oktober 1811
Zeitungsbericht für September 1811
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16501, Bl. 61r-65r, Anlagen Bl. 66r-68r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum fehlt.
[61r] Liegnitz den 4ten October 1811.
Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement der Liegnitzschen Regierung für den Monath September c.
Euer Majestät wollen den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem uns anvertrauten Landes-Bezirk für den Monath September c. in nachstehenden Anzeigen allergnädigst zu empfangen geruhen:
Witterung.
Des Windes Richtung war sehr veränderlich. Nur den 1ten und 25ten fiel Regen, der jedoch die ausgetrokneten Gefilde bei weitem nicht stark genug befeuchtet. Die ganze Oberfläche der Erde ist Staub geworden, und selbst auf sumpfigen Wiesen findet sich beinahe kein frischer Grashalm mehr. Einen besonders traurigen, mit bangen Besorgnißen für die Zukunft erfüllender Anblick gewähren die Wintersaat-Felder, auf welchen theils noch gar keine, theils nur sehr dürftige Saat zu sehen ist. Welk und mit Raupen belastet stehet auch das Grünzeug. Schon im vergangenen Monat hat zur Stall-Futterung des Viehes, weil dessen Sättigung auf den ausgedorrten, mit Staube bedekten Triften nicht mehr möglich war, geschritten werden müssen, welches der Landmann um so mehr beklagt, als derselbe im laufenden Jahre nur halb so [61v] viel Heu und Grummet, als im verflossenen, gewonnen hat. Nicht ohne Grund wird daher Futter-Mangel befürchtet.
Der höchste Stand des Reaumurschen Thermometers war in der Gegend von Liegnitz den 11ten Mittags 17 1/4 Grad, und der niedrigste den 18ten und 20ten früh 2 Grad über dem Frostpunkt.
Preise der Consumtibilien.
Die vormonathlichen Preise des Getreides auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements und das Verhältniß dieser Preise zu denen des benachbarten Auslandes werden in der unter dem Buchstaben A beigeschlossenen balancirten Designation pflichtschuldigst nachgewiesen.
Die Quantitaet des im Monat August c. ein- und ausgegangenen Getraides und Gemüses verzeichnet die Anlage sub litt: B.
Der Berliner Scheffel Kartoffeln gilt dermalen 8 bis 20 gg: Real-Münze.
Cours der Münzsorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel.
Das Agio vom Courant-Gelde geht sehr in die Höhe, weil solches gegen Scheidemünze täglich mehr gesucht wird. Auch ist das Geld etwas gestiegen. Von den Schlesischen Pfandbriefen stehen die großen 69 und die kleinen 74 proCent.
Der
Gesundheits-Zustand
der Menschen ist erwünscht. Die trokkene Luft im abgewichenen Monat hat den Eintritt der sonst gewohnlichen Herbst-Krankheiten, als des Typhus, der Ruhr, und der [62r] drei- und viertägigen Fieber, abgewendet. Gelinde Katarrhal-Zufälle, die Masern und das Scharlachfieber zeigten sich hin und wieder, ohne jedoch einen epidemischen Charakter anzunehmen.
Unter dem Rindvieh äusserte sich an einigen Orten des Departements der Milzbrand, der aber bei den dagegen angewandten Mitteln nicht überhand genommen hat.
Unglücks-Fälle.
In der Bartsch bei Herrnstadt ertrank ein Jude von Rawicz aus Unvorsichtigkeit beim Baden.
Auf gleiche Art fand die dreijährige Tochter des herrschaftlichen Wächters zu Koeben in dem Waßerbehälter am Brauhause den Tod.
Am 6ten v. M. wurde die 20jährige Tochter des Fuhrmanns Suchanke zu Trachenberg in dessen Behausung durch den Schuß aus einer Flinte, welche von einem ihr verwandten nicht dort wohnenden Jäger geladen in die Stadt gebracht und dann von ihrem Bruder unvorsichtig behandelt worden war, so gefährlich verwundet, daß sie jezt wahrscheinlich bereits gestorben ist. Den Bruder der Verunglükten sowohl, als den genannten Jäger hat man darauf Behufs der gegen sie zu veranlassenden Untersuchung sofort verhaftet.
Drei Personen haben sich aus Schwermuth selbst entleibt. Am 2ten v. Mts. ist bei dem Häusler Frenzel zu Modlau, Bunzlau-Loewenbergschen Creises, durch bis jetzt noch unbekannte Veranlassung ein Feuer ausgebrochen, welches [62v] dessen Wohngebäude und das Schulhaus verzehrt hat.
In Züchen, Wohlauschen Creises, sind zwei Gärtnerstellen, ein Bauerhof, imgleichen das Gesindehaus und der Kuhstall auf dem herrschaftlichen Vorwerk gänzlich abgebrannt. Dieses Unglük soll durch den schlechten Zustand des Bakofens in dem Gehöft des Gärtners Weber herbeigeführt worden seyn.
Am 12ten v. Mts. entstand zur Nachtzeit bei dem Bauer Gehlig zu Thiemendorff, Steinauschen Creises, ein Brand, in welchem nicht nur dessen ganzes Gehöft ein Raub der Flammen wurde, sondern auch seine Ehefrau das Leben verlor. Dem Ursprunge dieses Brandes hat der Kreis-Landrath vergebens nachgeforscht.
Zu Groß-Rinnersdorff, im Luebenschen Creise, ging durch bis jezt gleichfalls noch nicht ausgemittelte Veranlassung das Wohnhaus des Gerichts-Scholzen Peter und die dabei gestandene Stallung in Rauch auf. Schon brandte auch das Schindeldach eines grossen Gebäudes, welches in der Nähe dieser Stallung sich befand, als ein junger Mensch von Eisemost mit einer Axt auf den Boden dieses Gebäudes eilte, und, der um ihn herumschlagenden Flammen ohnerachtet, Dach-Latten und Schindeln von demselben ablösete, wodurch selbiger Retter nicht nur dieses Gebäudes, sondern auch der angrenzenden Kirche, des Pfarrhofes und des Schulhauses wurde. Wir lassen diese rühmliche That dem Publikum durch unser Amts-Blatt bekannt machen.
Auf dem in der Stadt Trachenberg belegenen Guthe des Bürgers Thurnhofer gerieth der Schwarzviehstall in Brand. [63r] Sehr bald standen auch die Schirrkammer und das Wohngebäude in Flammen, mit welchem zugleich eine Menge Mobilien und alles auf dem Boden aufgeschüttete Getraide in Asche verwandelt wurden. Die Entstehungs-Ursache dieser Feuersbrunst ist nicht zu eruiren gewesen. Bei Dämpfung derselben haben sich mehrere Bürger, vorzüglich aber der Maurer-Meister Franz Reichel, durch Entschlossenheit und Thätigkeit ausgezeichnet. Wir haben ihrer daher in dem Amts-Blatt unsern Dank bezeuget.
Am 5ten v. Mts. wurde der österreichische Deserteur Michael Wirth wegen des an dem Seifensieder-Gesellen Ernst aus Posen in dem Walde bei Wiese, Goldbergschen Creises, verübten Mordes bei hiesiger Gerichtsstätte mit dem Beile vom Leben zum Tode gebracht und dann sein Körper auf das Rad geflochten. Der pestilenzialische Geruch, den dieser nunmehr in Fäulniß übergegangenen Körper jezt weit umher verbreitet, kann der menschlichen Gesundheit sehr verderblich werden. Der Wunsch ist daher um so verzeihlicher, daß die Auflegung hingerichteter Verbrecher auf das Rad forthin nicht mehr für immer, sondern nur auf einige Tage geschehen und hiernach eine Verordnung an den Herrn Chef der Justitz ergehen möge.
Von 17 Verbrechern, die von Colberg kommend nach Cosel transportirt werden sollten, entwichen auf der Tour von Neustaedtel nach Polkwitz am 16ten v. Mts. 15 nach Ueberwältigung ihrer Begleiter. Durch die Wachsamkeit unserer Unter-Polizei-Behörden sind jedoch 12 der Ersprungenen bereits wieder aufgehoben und [63v] nach Cosel befördert worden.
Unter der Rubrik
Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei Institute
haben wir nichts anzuzeigen.
Summarische Nachweisung der Zuflüße in die König. Cassen.
Die Einnahme der Regierungs-Haupt-Casse hierselbst hat in dem Monat Septbr. c. sich belaufen auf .. 132,588 r. 10 gg. 5 2/5 pf.
Ausgegeben sind .......................... 109,702 -- 7 - 11 1/5 [pf.]
An Ueberschüßen zu den Staats-Cassen sind aus den laufenden Gefällen abgeführt worden ............. 178,857 -- 17 -- 8.
Für die Rubrik von
Militair-Sachen
sind uns keine Nachrichten zugekommen, welche für Euer Majestät Interesse haben könnten.
Auch enthalten die an uns erstatteten Spezial-Zeitungs-Berichte keine merkwürdigen Notizen von der
Grenze.
Blos der Landrath Militsch-Trachenbergschen Creises meldet uns, daß der Uebertritt junger zum Militair-Dienst tauglicher Männer aus dem Herzogthum Warschau in gedachten Bezirk noch immer statt finde.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden,
haben sich im verflossenen Monat in dem Departement unserer Administration nicht ereignet.
Commercium.
In dem gedachten vierwöchentlichen Zeitraum sind die Aussichten für den auswärtigen Leinwandhandel eher noch mehr getrübt als erheitert worden. Die neue Verfügung des [64r] französischen Gouvernements, nach welcher die mit Frankreich nunmehr vereinigten Hansee-Städte in Beziehung auf die Zölle dem alten Reiche völlig gleich gestellt werden sollen, unterwirft unsere gebleichte Leinen einen Zoll von 61 Francs pr. quintal metrique, welcher ungefähr 5/6 r. oder 20 gg. Courant für ein Schok 6/4 tel breite Leinwand beträgt. Gefärbte Leinwand soll den doppelten Zoll entrichten, rohe giebt zwar dem Gewichte noch weniger. Da sie aber an sich mehr wiegt, so wird der verordnete Zoll sich ebenfalls auf 18 bis 20 gg. für das Schok belaufen. Sollte jene Verfügung nicht etwa dadurch gemildert werden, daß ein Entrepot oder ein mit mäßigen Abgaben belegter Transito nachgegeben wird, wie man kaum hoffen darf, so sieht sich unser Leinwandhandel nicht nur von den Hansee-Städten, sondern auch von den Dänischen Staaten abgeschnitten, und erleidet dadurch den letzten Stoß, der ihn noch treffen konnte.
Aus Livorno wurden ehemahls grosse Geschäfte nach der Barbarey. Auch diese haben aufgehört, weil die Schiffarth dadurch ins Stokken gekommen, daß von Livorno keine andere Schiffe abseegeln dürfen, als welche französische Flagge haben.
Das Versprechen, welches bei Aufhebung des Porto Franc gegeben wurde, daß die Güther, welche in Italien in Entrepot gelegt worden, zwei Jahre sollten ruhen können, dann aber über sie ohne Erlegung eines Zolles disponirt werden dürfte, wird nicht erfüllt. Die Leinen, welche sich im Entrepot befinden, müssen 60 Francs vom Sporco-Gewicht bezahlen. [64v] 58 Kisten Leinwand, deren Werth auf 24995 r. berechnet wird, sind im verflossenen Monat aus dem Gebirge auf der Oder über Aufhalt theils nach Berlin, theils nach Stettin verschift worden. Nach der Schweiz ist zur Zeit noch der bedeutendste Absatz von Leinwanden, besonders von bunten und dichten Schleiern, die dort an die Stelle des baumwollenen Waaren in den Welthandel kommen. Das Tuch-Negotium befindet sich fortdauernd in einer sehr mißlichen Lage, würde aber sehr bald wieder aufleben, wenn die unlängst durch die Zeitungen verbreitete Nachricht, daß die Einfuhr fremder Tücher in Rußland wieder frei gegeben sei, Grund hätte. Aber dieß muß bezweifelt werden, da unsere nach dem Norden handelnde Tuch-Kaufleute jene Nachricht von ihren Correspondenten nicht erhalten haben.
Bei den Zoll-Aemtern unseres Departements wurden in dem letzt abgewichenen vierwöchentlichen Zeitraum 741 Stük Schaafe und 1656 Stein 17 Pfund inländische Wolle Berliner Gewicht zur Ausfuhr declarirt.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im vergangenen Monat waren
ausser denjenigen, welche Euer Majestät auf den allerdevotest beigeschlossenen Nummern 19 bis 22 unsers Amtsblatts zu entnehmen geruhen wollen,
die fortgesetzten kommissarischen Arbeiten wegen Veräusserung oder Verpachtung der Klostergüther,
der Verkauf und die Uebergabe der Domaine Gross Baudis an den Kaufmann Duport aus Warschau; so wie die Vererbpachtung der Domaine Priedemost an den Gutsbesitzer [65r] Lucas;
die provisorische Einrichtung von Quarantaine- und Begleitungs-Anstalten zur Verhütung des Einschleppens der Rindviehpest in das hiesige Regierungs-Departement.
Die Anordnungen zu Abhaltung einer allgemeinen Landes-Visitation, und die Vorkehrung, daß die desfalls nöthigen Vorsichts-Maaßregeln nicht vor der Zeit in das Publicum kommen,
Die Veranstaltung sorgfältiger Revisionen der Feuerlösch-Anstalten auf dem Lande und die Regulirung des Nachtwachtwesens wegen des herannahenden Winters,
die Einrichtung von Dorf-Armee-Verpflegungs-Anstalten zur Verhütung der die Industrie und öffentliche Sicherheit benachtheiligende Bettelei,
die Instruction unserer Unterbehörden zur Ausführung der neuesten Dispositionen der Gesetzgebung, nehmentlich der Edicte vom 7ten Septbr: c. über die Finanzen des Staats, und über die polizeilichen Verhältniße der Gewerbe.
Unter der Rubrik:
Dringende Reformen und Verbesserungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]