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Zeitungsbericht für Oktober 1810

 

GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16500, Bl. 53r-56v, Anlagen Bl. 57r-61r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum 16. November 1810.

 

 

[53r] Liegnitz den 2ten November 1810.

 

Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement der Liegnitzschen Regierung für den Monat October c.

 

 

Ewr. König. Majestät wollen den uns obliegenden Haupt-Zeitungs-Bericht von unserm Verwaltungs-Bezirk für den Monat October c. in nachstehenden Anzeigen allergnädigst zu empfangen geruhen:

 

Witterung.

 

Die herrschende Richtung des Windes war südlich, bald nach Westen, bald nach Osten abweichend. Regen fiel einigemal. Nur wenige Tage fand gelinder Frost statt. Der höchste Stand des Reaumurschen Thermometers war in der Gegend von Liegnitz den 1ten Mittags + 15 Grad und der niedrigste den 18ten früh 4 Grad. Die nunmehr eingetretene naße und dabei nicht kalte Witterung ist grosse Wohlthat für die Winter-Saat-Gefilde, die fast 9 Wochen mit Regen nicht getränkt ihre Feuchtigkeit in dem Grade verlohren hatten, daß der ihnen anvertraute Saamen theils gar nicht, theils nur sehr sparsam aufzugehen vermochte. Auf sandigen Boden fand man bisher nur in den Furchen der Beete etwas Saat, auf den Kämmen hingegen gar keine. Viele Getraidekörner dürften durch den zu langen Aufenthalt in der Erde verdorben seyn, welches besonders von denen des Weitzens zu befürchten steht, da derselbe leicht vermälzet. Von den auf den Feldern nicht nur, sondern auch in den Scheuern während der großen Dürre sich in ungewöhnlicher Menge eingefundenen Mäusen ist gewiß bedeutender Schaden angerichtet worden. Hoffentlich wird das eintretende naße Wetter ihr Verderben bewirken.

 

Preise der Consumtibilien.

 

Aus der unter dem Buchstaben A beigeschloßenen balancirten Designation wollen Ewr. König. Majestät [53v] huldreich zu entnehmen geruhen, welche Preise das Getraide in dem abgewichenen Monat auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements gehabt, und wie diese Preise sich zu denen des benachbarten Auslandes verhalten.

 

In der Beilage sub litt: B wird die Quantitaet des im October c. ein- und ausgegangenen Getraides  verzeichnet.

 

Der Berliner Scheffel Kartoffeln gilt jetzt nach Beschaffenheit ihrer Güte 10-16 gg. Realmünze.

 

Die Nachweisung unter litt: C designirt die Summen und Preise der eingeführten Colonial- und andern ausländischen Waaren.

 

Cours der Münzsorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel.

 

Das Agio von  dem Friedrichsd'or sowol als von dem Courant-Gelde ist gesunken. Das der erstern stehet gegenwärtig 13 1/2 und das des letztern 5 pro Cent. Von den Schlesischen Pfandbriefen gelten die großen 83 und die kleinen 87 proCent. Die kaiserlichen Dukaten sind etwas gestiegen.

 

Der Gesundheits-Zustand der Menschen

 

ist jetzt beßer als sonst. Die Ruhr hat nachgelaßen. Koliken und Fieber scheinen zwar hin und wieder, jedoch nicht von bedeutendem Umfange. Das Scharlachfieber in Freystadt vermindert sich, und zeigt sich nun in Schwiebus, woselbst es aber eben nicht bösartig ist. Die natürlichen Poken sind im Gebürge zum Ausbruch gekommen. Die verfügte Sperre der damit befallenen Häuser und die Saccine haben ihnen auf der Stelle Schranken gesetzt.

 

Unter dem Vieh der Provinz herrschen keine wirklich [54r] anstekkenden Krankheiten. An dem Milzbrande sind an verschiedenen Orten Küh und Ochsen erkrankt und gefallen.

 

In einer auf dem Quarantaine-Platze bei Gr: Lessen im Grünbergschen Creise, am 19ten v. M. angekommenen Heerde rußischer Schlachtochsen aber hat, wie Ewr. König. Majestät Ministerio des Innern wie bereits am 26ten v. M. besonders angezeigt, die Viehpest sich geäussert. Wir dürfen, da in den letzten Tagen nur ein Stük gefallen, hoffen, daß ein Theil der angestekten Heerde gerettet werden wird.

 

Unter den Schaafen wüthen in verschiedenen Dörfern des Departements die Pokken. Die vernünftigern Landwirthe bekämpfen sie mit der Schaafpoken-Impfung und mit der Saccine.

 

Unglücksfälle.

 

Zu Jaenowitz, Hirschbergschen Creises, wurde der Freihäusler Berthermann am 9ten v. M. im Bobermühlgraben unweit von seinem Hause todt gefunden.

 

In Hohenwiese deßelben Creises, ertrank der Weber Jochmann im Mühlgraben.

 

Beim Aufbau eines Gartenhauses in dem Gräflichen Garten zu Militsch stürzte der obere Hauptbalken auf 5 Handlanger herab. Einer derselben blieb auf der Stelle todt, ein zweiter starb wenige Tage nachher, und die übrigen, welche blos gestreift worden waren, sind wieder hergestellt.

 

Sieben Personen haben sich im vorigen Monat selbst entleibt.

 

Am 5ten v. M. hat der Bauer Seidlich zu Reibnitz im Hirschbergschen Creise, sein Gehöft durch eine Feuersbrunst verlohren, deren Entstehungsursache nicht auszumitteln gewesen ist.

 

[54v] Am 16ten ist zu Riedschütz, Glogauschen Creises, die evangelische Schulwohnung nebst zwei Häuslerstellen abgebrandt. Eine im Schulhause vermauerte hölzerne Säule, welche erst nach dem Brande entzündet, und auf solche Art das Unglük herbeigeführt. Der Schaden wird auf 700 r. berechnet.

 

Vor dem Preußischen Thor der Stadt Glogau ist die Besitzung des dortigen Chirurgus Purlitz der  golden Stern genannt, aller Wahrscheinlichkeit nach durch boshafte Anlegung, in Feuer gesetzt und eingeäschert worden.

 

In Klein Baulwy, Wohlauschen Creises, ist am 22ten September c. bei dem Müller Baumgart ein Brand entstanden, in welchem das Gehöft dieses Müllers und das herrschaftliche Vorwerk nebst Brauerei ein Raub der Flamme geworden. Die sechsjährige Tochter des Damnificaten soll dieses Feuer dadurch veranlaßt haben, daß sie aus Spielerei eine bei dem Bakofen ihres Vaters gelegene Handvoll Flachs in demselben angezündet.

 

Am 30ten September c. wurde das Wohnhaus des Dreschgärtners Müller in Groß Wiersewitz, nebst einem Auszughause in Asche verwandelt. Die Art, wie dieses traurige Ereigniß herbeigeführt worden, hat nicht eruirt werden können.

 

Unter der Rubrik:

 

Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei-Institute

 

bemerken wir ehrfurchtsvoll die große Wohlthat, welche Ewr. König. Majestät der Provinz durch die huldreich bewilligte Militair-Assistenz zur Aufrechthaltung der öffentlichen Sicherheit zu erweisen gerührt haben.

 

Summarische Nachweisung der Zuflüße in die König. Cassen

 

[55r] Die Einnahme für den Monat October c. hat bei der Regierungs-Haupt-Casse sich belaufen auf ................................................. 93627 r. 9 g. 2 4/5 pf.

 

die Einnahmereste betragen ................ 48267 -- 8 -- 5 1/5.

 

ausgegeben sind

 

an Ueberschüßen zu den Staats-Caßen sind

 

abgeführt worden: ............................ 90275 -- 8 --------
a) aus den laufenden Gefällen

 

b) aus der ....... Resten-Casse ........... --------------------

 

c) an eingegangenen Nachzahlungen ... --------------------

 

Unter der Rubrik von

 

Militair-Sachen

 

sind uns keine Nachrichten zugekommen, welche für Ewr. König. Majestät Interesse haben könnten.

 

Auch mit merkwürdigen Notizen von der

 

Gränze

 

sind wir nicht versehen, doch glauben wir hier den Exzeß nicht unberührt laßen zu dürfen, welcher am 22ten v. M. von einem aus 30 Mann bestandenen Commando von der Garnison der Warschauer Stadt Zeluny in dem Preußischen Grenz-Wirthshause, Galgas genannt, verübt worden ist. Dieses Commando hat vier daselbst wegen Unruhstiftung arretirte pohlnische Soldaten zu befreien gesucht, auch seine Absicht durchgesetzt und dabei mehrere Menschen stark verwundet. Bereits unterm 26ten v. M. haben wir an Ewr. König. Majestät Ministerium des Innern von diesem Vorfall Bericht erstattet.

 

Veränderungen bei öffentlichen Behörden

 

sind im verflossenen vierwöchentlichen Zeitraum nicht vorgekommen.

 

Commercium.

 

Die schlesischen Tuchkaufleute haben auf der letzten Leipziger Meße ganz gute Geschäfte gemacht. Auch fehlt es dermalen nicht an Bestellungen auf Tücher aus dem Auslande, so wie der Debit in der Provinz selbst ziemlich stark ist.

 

[55v] Bei den Zollaemtern unseres Departements sind im Monat October c. 461 Stein 8 2/37 lb. Wolle Berliner Gewicht, imgleichen 259 Stük Schaafvieh zur Ausfuhr declarirt worden.

 

Mit der Erstattung unsers Zeitungsberichts für den Monat September c. hat der Leinwandhandel Schlesiens in das Ausland keine erfreulichere Ansicht genommen. Auf der Leipziger Michaelis-Meße hat zwar einiger Leinwand-Absatz statt gefunden. Dieser ist jedoch für das ganze nicht bedeutend genug. Die durch neue Verfügungen noch mehr verschränkte Einbringung von Colonial-Waaren, und deren höhere Besteuerung werden ebenfalls auf unsern Leinwandhandel nachtheilig zurükwirken. Sollte forthin aller Austausch unserer Fabrikwaaren gegen Produkte Westindiens wegfallen; so würde jener Handlungszweig ganz absterben, und der Westindische Pflanzer auf Surrogate von Flachs zu seiner Bekleidung raffiniren. Nur 60 Kisten Leinwand sind im vergangenen Monat theils in andere Provinzen Ewr. König. Majestät, theils in das Ausland auf der Oder über Aufhalt aus dem Gebürge verschift worden. Der Werth dieser Waaren wird auf 25310 r. angegeben.

 

Bei dieser Gelegenheit zeigen wir allerunterthänigst an, daß das franz: Gouvernement in Glogau am 18ten v. M. mehrere Kähne auf der Oder, welche zum Theil mit Kolonial-Waaren befrachtet gewesen angehalten, und in Beschlag genommen, solche auch nachher aller Verwendungen ohnerachtet nicht frei gegeben hat, wodurch viele Kaufleute und Schiffer in großen Schaden gesetzt worden sind.

 

Hauptgegenstände unserer collegialischen Beschäftigung im [56r] abgewichenen Monat waren:

 

die zwekmäßige Vertheilung und Anwendung der von Ewr. König. Majestät allergnädigst bewilligten Militair-Commandos zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit gegen Landstreicher,

 

die Vorbereitung derjenigen Maaßregeln, welche auf die anzustellende General-Landes-Visitation Bezug haben,

 

die Anordnung der nöthigen Maaßnehmungen, um die allerhöchst befohlene Anwendung des französischen Tarifs auf die Kolonial-Waaren auch im hiesigen Regierungs-Departement zur Ausführung zu bringen,

 

die Einleitung zu Aufhebung der Bannbezirke, welche mehrere Papier-Mühlen-Inhaber in Beziehung auf Lumpensammlung zum Nachtheil des Ganzen bisher inne hatten,

 

die Vorkehrungen, daß diejenigen, welche bei Gelegenheit von Jahrmärkten, Wallfahrten und Ablaßen, geistliche Lieder und gedrukte Sachen verkaufen nichts unzensirtes oder solche Artikel führen, welche nur zu Erhaltung des Aberglaubens gereichen, oder wie bisher häufig der Fall war, gegen wahre Religiosität und Sittlichkeit verstoßen.

 

Einleitungen zu Aufhebung der Gemeinheiten und zur Ablosung der Spanndienste in Ewr. König. Majestät Domainen-Amte Parchwitz, so wie zu Ablösung von Zinsen und Praestationen bei andern Domainen-Aemtern.

 

Die Verallgemeinerung der Schutzpokken-Impfung,

 

die zwekmäßigere Einrichtung der Badeanstalten in Warmbrunn und Flinsberg.

 

[56v] Unter der Rubrik

 

dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administrazion

 

bemerken wir allerunterthänigst, daß die neuere Erfahrungen bei unsern zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit getroffenen Maaßregeln, bei uns die Ueberzeugung vermehrt haben, wie eine verbeßerte Einrichtung der Behörden, welchen die ländliche Polizei-Verwaltung oblieget, überaus wünschenswerth sei.

 

 

Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.

 

[gez.]