5 Liegnitz, 5. Juni 1815
Zeitungsbericht für Mai 1815
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16505, Bl. 35r-37v, Anlagen 38r-40r. Referent Erdmannsdorff.
[35r] Liegnitz den 5ten Juny 1815.
Haupt-Zeitungs-Bericht vom Liegnitzschen Regierungs-Departement für den Monat May c.
Ewr: Majestät wollen den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem uns anvertrauten Landes-Bezirk für den Monat May d. J. in nachstehenden Anzeigen allergnädigst zu empfangen geruhen:
Die
Witterung
war der Vegetation ungemein günstig. Am 6ten fand in der Gegend um Liegnitz ein starkes Gewitter statt. Auch fiel öfters ein fruchtbarer Regen. Nur hat in den lezten Tagen des Monats der Frost noch einigen Schaden gebracht. Nachtfröste waren nehmlich vom 27ten zum 28ten und vom 28ten zum 29ten. Doch stand das Réaumursche Thermometer am 29ten früh um 5 Uhr bereits wieder auf 2 Grad über Null, welches überhaupt der niedrigste Stand deßelben war. Am höchsten stand es den 12ten Mittags, nehmlich 19 1/2 Grad. Die herrschende Richtung des Windes war aus Nordwesten. Die Nachtfröste fanden aber bei Süd- und Ostwind statt.
Die Winterung steht vortreflich, auch läßt sich die Sommerung sehr gut an, beide werden also hoffentlich dem Fleiß des Landmanns lohnen.
Preise der Consumtibilien.
Die vormonatlichen Preise des Getreides auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements und das Verhältniß dieser Preise zu denen des benachbarten Auslandes werden in der aller-[35v]-devotest unter Lit: A beigefloßenen Designation pflichtschuldigst nachgewiesen.
Der Berliner Scheffel Kartoffeln wurde mit 14 bis 16 g. Münz-Courant bezahlt.
Der
Cours der Münzsorten Staatspapiere und kaufmännischen Wechsel
war überaus schwankend. Die Tresorscheine hatten den Werth von 88 1/2 Procent. Von den schlesischen Pfandbriefen standen die großen auf 88 1/2, die kleinen hingegen auf 89 1/2 Procent. Die Wiener Einlösungs-Scheine sanken von 28 auf 24 Procent herab.
Katarhalisch rheumatische Fieber und BrustAffectionen waren die Haupt-Formen der
Krankheiten
unter den Menschen. Erwachsene litten zugleich hin und wieder an Augen-Entzündung, Kinder hingegen wurden von den Masern, Rötheln, auch wohl von Krankheiten und Scharlachfieber heimgesucht.
Im Dorfe Langwasser Loewenbergschen Creises, hat sich ein bösartiger Typhus gezeiget, deßen weiterer Ausbreitung jedoch durch sorgsame polizeiliche Maasnehmungen unterdrückt worden ist, und der bereits im Abnehmen sich befindet.
Von Krankheiten unter dem Vieh sind uns keine Anzeigen erstattet worden.
[36r] Unglücksfälle.
Ein Soldat von dem ersten Ostpreußischen Garnison-Bataillon zu Glogau ertrank beim Baden in der Oder.
Dies Unglück hatte auch der Schäferknecht Neumann in Kuttlau, Glogauschen Creises, welcher dort beim Schaafscheeren in den sogenannten pohlnischen Kanal fiel.
Auf gleiche Art fand die älteste 3 1/4 Jahr alte Tochter des Häuslers Wahnick zu Neu-Schweinitz, Goldberg-Haynauschen Creise, ward beim Umsturz eines mit Holz beladenen Wagens von demselben erschlagen.
Zu Freystadt verlohr der Fuhrmann Tietze sein Haus durch eine Feuersbrunst, deren Entstehungs-Ursache nicht auszumitteln ist.
Auf dem Nieder-Vorwerke zu Alt-Wohlau fuhr ein zündender Wetterstrahl in den Schaafstall, welcher darauf mit zwei Scheuern, der Schäfer-Wohnung und zwei Gärtner-Stellen eingeäschert wurde.
Auch in Hohenliebenthal, Hirschbergschen Creises brannten in Folge des Einschlagens des Blitzes zwei Häuslerstellen nieder.
Polizei-Institute
sind in dem hiesigen Regierungs-Departement [36v] im Monat May c. weder entstanden noch eingegangen.
Den
Zustand der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse im Monat April c.
stellt diejenige Designation dar, welche Ewr: Majestät wir hierneben unter Lit: B allersubmissest überreichen.
Unter der Rubrik von
Grenz-Sachen
sind uns keine intereßante Nachrichten zugekommen.
Militaria.
Das Betragen der durch das Liegnitzsche Regierungs-Departement marschirenden Kaiserlich Rußischen Truppen ist musterhaft.
Handels-Gegenstande.
Der Leinwand-Verkehr hat durch die neuen ZeitEreigniße einen empfindlichen Stoß erlitten. Indeßen findet der Weber noch Absatz seiner Fabrikate, und die Klagen des Leinwand-Kaufmanns werden hoffentlich auch bald wieder verstummen.
Die Quantität der im Monat May c. bei den Zoll-Aemtern in Hirschberg, Schmiedeberg, Greiffenberg und Warmbrunn zur [37r] Ausfuhr declarirten Leinen-Waaren, wollen Ewr: Majestät aus der unter Lit: C beigefügten Designation allergnädigst zu entnehmen geruhen.
Die Stockung des Tuchhandels war bisher gleichfalls groß, da die schlesischen Tuch-Fabrikanten von der Leipziger Messe größtentheils mit nicht veräußerten Waaren-Vorräthen zurückgekehret sind.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden im Departement
haben sich nicht ereignet.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im abgewichenen Monat waren:
1tens die Vorsorge für Verpflegung der beiden Kaiserlich Rußischen Armee-Corps von ungefähr 130,000 Mann Fußvolk und 50,000 Pferden, welche durch das hiesige Regierungs-Departement gezogen, und noch auf dem Marsche durch dasselbe begriffen sind.
2tens die erforderlichen Verfügungen zur Beendigung des Geschäfts der Aufnahme der Stammrollen von allen zum stehenden Heer zur Landwehr sowie zum Landsturm diensttauglichen Mannschaft im Departement.
3tens die Bildung einer besonderen Provincial-Kriegs-Com-[37v]-mission, welche die Ausschreibungen der Kriegs-Bedürfniße auf das hiesige Regierungs-Departement übernehmen, und die von lezterm zu diesem Zweck begehrten Zuschüße herbeischaffen soll.
4tens Verfügungen, um den in einem Dorfe des Loewenbergschen Creises ausgebrochenen kontagiösen Typhus in seiner Geburt zu ersticken. Außer diesen Gegenständen sind Vorwurf unserer Beschäftigung diejenigen Objecte gewesen, welche die allerunterthänigst beigeschloßenen Nummern 19 bis 22 des 5ten Jahrganges unseres Amtsblatts enthalten.
Unter der Rubrique
Dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration
haben wir zur Zeit nicht vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]