9 Liegnitz, 5. Oktober 1815
Zeitungsbericht für September 1815
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16505, Bl. 65r-68r, Anlagen Bl. 69r-72r. Referent Kieckhoefer.
[65r] Liegnitz den 5ten October 1815.
Haupt-Zeitungs-Bericht vom Liegnitzschen Regierungs-Departement für den Monat September c.
Ewr: Majestät säumen wir nicht den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem unserer Verwaltung anvertrauten Landes-Bezirk für den Monat September c. in nachstehenden Anzeigen allerunterthänigst zu erstatten: Die
Witterung
war gewöhnlich heiter, und begünstigte das Einbringen des Restes der Winterung, sowie des Sommer-Getraides. Der Wind wehte bis zum 18ten aus Westen und Nordwesten, vom 19ten aber aus Nordosten und Süden. Der höchste Stand des Réaumurschen Thermometers war in der Gegend von Liegnitz den 15ten Mittags 18, und der niedrigste den 25ten früh 2 Grad über dem Frostpunkte.
Die Getraide und Heu-Erndte entspricht im Ganzen den Wünschen des Landmanns. Auch sind das Kraut, die Rüben und Kartoffeln wohl gerathen. Die Obstbäume gewähren einen vorzüglich reichlichen Ertrag.
Preise der Consumtibilien.
Welche Preise das Getraide im abgewichenen Monate auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements gehabt, und wie diese Preise sich zu den in Böhmen und in den benachbarten Herzogthümern Sachsen und Posen bestandenen verhalten, wollen Ewr: Majestät auf der unter dem Buchstaben A. submissest beigelegenen Nachrichten zu ersehen geruhen.
Der Berliner Scheffel Kartoffeln galt 8 bis 14 gg: Münz-Courant.
[65v] Der
Cours der Münzsorten, Staats- und Communal-Papiere, imgleichen der kaufmännischen Wechsel
war dem im Monat August c. beinahe völlig gleich. Die Tresorscheine standen auf 94 3/4 Procent und von den schlesischen Pfandbriefen die großen auf 98. Die kleinen hingegen auf 99 Procent.
Die
Krankheiten
von welchen die Einwohner des Departements heimgesucht wurden, waren rheumatisch katarrhalisch. Unter den Kindern herrschte immer noch der Keuchhusten. Auch waren vermehrte Darm-Secretionen, Durchfälle und Erbrechen, häufige Erscheinungen. In Kromnitz, Loewenbergschen Creises, kam in Folge eines Durchmarsches Kaiserlich Rußischer Truppen, die ihre Kranken bei dasigen Bauern eingelegt hatten, in zehn Häusern der Typhus zum Ausbruch.
Von den natürlichen Blattern glauben wir nach den neuesten großen Anstrengungen der Impfärzte nichts mehr befürchten zu dürfen. Die General-Impfungs-Liste des Departements für das Jahr 1814 weiset 31,226 Impflinge nach, welche Zahl die vom Jahr 1810 um 4389 übersteigt.
In dem Militsch-Trachenbergschen, und in einigen Dörfern des Grünbergschen, Wohlauschen und Glogauschen Creises sind die Schaafheerden von den Pocken gefallen. Inzwischen hat dieses Uebel keinen bösartigen Character. [66r] Da daßelbe aus dem Krotoszyner Creise im Grosherzogthum Posen eingeschleppt sich darstellt, so haben wir gegen diese Provinz in Ansehung des Einlaßes von Schaafheerden und selbst der Wolle eine Beschränkung längs der Grenze eintreten laßen müßen.
Unglücks-Fälle.
Sechs Personen machten aus Schwermuth theils durch den Strik, theils durch Abschneiden des Halses ihrem Leben ein Ende. Der Regierungs-Fiscal, Hof- und Criminal-Rath Eitner hieselbst aber zerschmetterte sich den Kopf durch einen Pistolenschuß. Erschlafte Leibes-Constitution, vielleicht auch zerrüttete Vermögens-Umstände scheinen denselben zu dieser That veranlaßt zu haben. Er hinterläßt eine Gattin und sieben noch unversorgte Kinder.
Bei Laehn ertrank ein zwölfjähriger Knabe aus Kleppelsdorff, Loewenberg-Bunzlauschen Creises, in dem angeschwollenen Boberfluß.
Der Schiffer Fiebig aus Bartsch, Steinau-Raudtenschen Creises, verunglückte bei Steinau in dem Oderstrohm, als er das ihm entschlüpfte Ruder wieder ergreifen wollte.
Am 1ten v. M. fuhr der herrschaftliche Vogt Beschmann aus Denkwitz bei Glogau mit einem Fuder Heu durch diese Stadt. Der Wiesebaum zersprang und verlezte den p. Beschmann am Kopf dergestalt, daß er auf der Stelle seinen Geist aufgeben mußte.
Zu Hohenwaldau Hirschbergschen Creises ward der Straßen-Arbeiter Kluge in einer Sandgrube von einer Erdschicht, welche herabstürzte, erschlagen.
[66v] Der Bauer Scholz zu Leschwitz bei Parchwitz fand in der Katzbach, und der Weisgerber Heinzius zu Naumburg am Queis in einer Waßergrube den Tod.
In Baroschke bei Prausnitz ward der Pachtbrauer Schmittgen von dem Förster Klein aus Schimmelwitz im Trebnitzer Creise aus Unvorsichtigkeit erschoßen. Lezterer ist Behufs der wider ihn zu veranlaßenden Criminal-Untersuchung bereits zur Haft gebracht.
Am 2ten v. M. brach Nachmittags in der 2ten Stunde auf dem herrschaftlichen Vorwerk zu Carlshoff, Loewenberg-Bunzlauschen Creises, in einer Scheune plötzlich Feuer aus, welches bei starkem Winde zu schnell um sich griff, daß in einem Augenblick nicht nur sämmtliche Vorwerks-Gebäude in Flammen standen, sondern auch die Wohnungen des Schmidts Hanckel und Hofegärtners Schirmer vom Flugfeuer ergriffen und eingeäschert wurden, ohne daß leztere etwas von ihrer Habe zu retten vermocht hätten.
In der Nacht vom 15ten auf den 16ten branndte zu Georgenthal, im Goldberg-Haynauschen Creise, das Wohnhaus des Häuslers Zahn, aus unbekannter Veranlaßung nieder.
Am 23ten entstand zur Abendzeit in der Stadt Beuthen ein Brand, in welchem 5 Bürger ihre Häuser mit allen Habseligkeiten zu verliehren das Unglük hatten. Die Art, wie dieses Feuer ausgekommen, ist noch nicht genügend eruirt, scheint aber aus einer Unvorsichtigkeit hervorgegangen zu seyn.
An einigen Orten in unsrem Administrations-Bezirk sind die Kirchen bei nächtlicher Weile erbrochen, und die darin befindlichen Gottes-Kasten beraubt worden. [67r] Auf Habhaftwerdung der Thäter, die schon früher anderwärts als Kirchenräuber sich signalisirt haben, ist eine Belohnung ausgesetzt.
Auch aus der Accise-Amts-Casse zu Neustaedtel sind 51 r. Stempelgelder durch Einbruch entfremdet worden. Gleichergestalt wurden den Kaufleuten Till und Schaar zu Freystadt gegen 3000 r: und dem Bauer Mietmann in Lindau bei Neustaedtel 150 r. durch gewaltsamen Einbruch entwendet, ohne daß die Thäter ausgemittelt werden können.
In den Personen des Schneiders Dreilich in Sulau, und des Fleischers Matzke zu Carmine, Militsch-Trachenbergschen Creises, hat man Pfanddiebe entdeckt. Beide sind in das Inquisitoriat in Glogau abgeliefert.
In dem Monat September d. Ja. sind in dem Liegnitzschen Regierungs-Bezirk
Polizei-Institute
weder entstanden noch eingegangen.
Den
Zustand der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse im Monat August c.
stellt diejenige Designation dar, welche Ewr: Majestät wir hieneben sub Lit: B allerdevotest überreichen.
Für die Rubricken von
Grenz-Sachen, und
von
Militaribus
liegen uns keine intereßante Nachrichten vor.
Handels-Gegenstände.
Die Einfuhr von Vieh aller Art, von Wolle und Getreide [67v] aus dem Grosherzogthum Posen war, sowie die Ausfuhr schlesischer Tücher, und sonstiger Fabrikate dahin sehr beträchtlich. Der Transito-Handel aus Posen nach Sachsen, und umgekehrt, ging dagegen schwach. Das Tuch-Commercium hebt sich. In dem Monat August c. sind zu Grünberg = 4579 Stück Tücher und zu Schwiebus = 1123 [Stück Tücher] debitirt worden. Die Ruffersche Tuch-Fabrique hat in dem Monat September c. 40 Stück Tücher im Werth von 2000 r. gefertiget, auch 139 Stück theils feine, theils mittelfeine Tücher, deren Preis-Summe 8200 r. beträgt, nach den Städten Memel, Königsberg, Graudenz, Elbing und Breslau versendet. In Goldberg sind mehrere pohlnische Juden zum Einkauf von Tüchern eingetroffen.
Von dem Leinwandhandel läßt sich mit Zuversicht erwarten, daß derselbe nach abgeschloßenem Frieden gleichfalls zu neuem Leben erwachen werde. Schon scheint sich ein Exportations-Handel nach Hamburg wieder zu öffnen.
Die Quantität der im Monat September c. bei den Zoll-Aemtern in Hirschberg, Schmiedeberg, Greiffenberg und Warmbrunn zur Exportation declarirten Leinenwaaren, wird in der mit dem Buchstaben C. bezeichneten Beilage pflichtschuldigst nachgewiesen.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden im Departements
haben sich nicht ereignet.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im vorigen Monat waren,
außer denjenigen, welche die allerunterthänigst beigeschloßenen Nummern 35 bis 39 unsers diesjährigen Amtsblatts enthalten,
[68r] 1.) die Veranstaltungen zur Verpflegung der auf dem Rückmarsch aus Frankreich das hiesige Departement berührenden rußischen Truppen,
2) die Sorge, das Retablissement der Kriegs- und Feuer-Beschädigten, und die Unterstützung invalide gewordenen Vaterlands-Vertheidiger imgleichen deren Wittwen und Waisen zu fördern,
3) die Veranlaßung wirksamer Maasnehmungen zu Einziehung der rückständigen Gefälle.
Unter der Rubrique:
Dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]