2 Liegnitz, 1. März 1813
Zeitungsbericht für Februar 1813
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16503, Bl. 15r-19v, Anlagen Bl. 20ar-20dr. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum 9. März 1813.
[15r] Liegnitz den 1ten Maerz 1813.
Haupt-Zeitungs-Bericht vom Liegnitzschen Regierungs-Departement für den Monat Februar c. a.
Euer Majestät wollen in nachstehenden Anzeigen den uns obliegenden Haupt-Zeitungs-Bericht für den Monat Februar c. allergnädigst zu empfangen geruhen. Derselbe kann nur unvollständig ausfallen, weil mehrere der Creis-Landräthe unsers Verwaltungs-Bezirks mit ihren Spezial-Relazionen zurükgeblieben sind, weil die kriegerische Zeitläufte theils diese Männer mit andern Geschäften zu sehr belastet, theils den Postenlauf unterbrochen haben.
Witterung.
Die herrschende Richtung des Windes war in der ersten Hälfte des Monats Februar c. aus Westen und Süd-Nord-Westen. In der zweiten Hälfte kam derselbe mehrere Male aus Süden und Südwesten, in den letzten Tagen des Monats aber wiederum aus Nordwesten und Westen. Der Himmel war öfter trüb, nur selten heiter. Mit dem 3ten trat gelinde Witterung ein, welche fast den ganzen Monat ununterbrochen anhielt. Nur selten fiel das Réaumursche Thermometer am Tage auf 0, nach dem 9ten nie darunter. [15v] Den 20ten Abends gegen 7 Uhr fand ein Gewitter statt. Der höchste Stand jenes Thermometers war in der Gegend von Liegnitz den 23ten Mittags 12 und der niedrigste den 25ten früh 6 Grad über dem Eispunkte. Die Winter-Saaten zeigen sich fast durchgängig hoffnungsvoll.
Preise der Consumtibilien.
Die vormonathlichen Preise des Getraides auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements und das Verhältniß dieser Preise zu denen des benachbarten Auslandes werden in der unter dem Buchstaben A beigeschlossenen balancirten Designation pflichtschuldigst nachgewiesen.
Die Anlage unter Lit: B verzeichnet die Quantitaet des im Januar c. aus- und eingeführten Getraides und Gemüses.
Der Berliner Scheffel Kartoffeln wurde mit 7 bis 11 gg. Münz-Courant bezahlt.
Cours der Münz-Sorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel
war sehr veränderlich. Von den Schlesischen Pfandbriefen galten die großen 63 1/2, und die kleinen 69 pro Cent.
Die gewöhnlichen
[16r] Krankheiten
der Menschen waren katarrhalisch und rheumatisch. Auch zeigten sich sporadisch Nerven-Fieber, und Kinder litten am Keuchhusten. Die durch verschiedene Transporte rußischer Kriegs-Gefangener in einige Orte des hiesigen Regierungs-Departements gebrachten Faulfieber sind vorüber. Dagegen brechen jetzt in den an den Etappen-Straßen belegenen Städten und Dörfern von Neuem epidemische Faulfieber hervor, welche die vielen Kranken unter den aus dem Herzogthum Warschau zurükgekommenen französischen Truppen verbreitet haben. Bei der Siechheit des größern Theils dieser Truppen war es unmöglich, die Kranken besonders unterzubringen. Wir haben im 8ten Stük unseres diesjährigen Amts-Blatts und im zweiten Nachtrage zu denselben das Publicum, so wie die von uns ressortirenden Polizei, und Creis-Behörden mit den gegen jenes furchtbare Uebel zu treffenden Vorkehrungen bekannt gemacht, auch den Medizinal-Rath unseres Collegii in die Gegend von Glogau, Neustaedtel und Sagan, wo die Epidemie vorzüglich Gefahr droht, abgesendet, damit derselbe [16v] das in den Anordnungen noch fehlende ergänze, die ergriffenen Orte mit dem erforderlichen Medizinal-Personale versehe, und für zuverläßige Vollziehung unserer Verfügungen Sorge tragen möge.
Unglücks-Fälle.
Drei Einwohner der Departements gaben sich aus Schwermuth selbst den Tod.
In Winzig verunglükte ein Kutscher, Nahmens Gesell, beim Durchgehen der von ihm geleiteten Pferde, dergestalt, daß er seinen Geist aufgeben musste.
Der Gürtlermeister Hohn zu Loewenberg wurde im dortigen Stadt-Graben erfroren gefunden.
Ein Dienstknecht in Schmiegerode, Militsch-Trachenbergschen Creises, Nahmens Sommer, starb an den Folgen eines starken Brandwein-Rausches.
Der Rekrut John aus Rettkau, Glogauschen Creises, wurde von einem andern, Nahmens Schmidt, im Gasthofe zum schwarzen Adler hierselbst aus Unvorsichtigkeit erschoßen.
Der Fleischhauer Lange hierselbst verlor am 2ten Februar c. sein Leben in einer Weidswebe [17r] bei dem Vorwerk Weissenrode.
Der Dienstknecht Gottlieb Roll zu Kniegnitz wurde von einem umschlagenden Fuder Holz, welches er aus einem Walde geholet hatte, getödtet.
Auch fand man am 4ten v. M. den Kürschnermeister Neumann aus Klein Kotzenau, wohin er Felle einzukaufen sich begeben hatte, vom Frost erstarrt.
Am 27ten Januar c. hat der Kleiderhändler Frank in Bunzlau seine Ehegenoßin aus bis jetzt noch nicht bekannten Gründen erstochen, und es ist derselbe darauf Behufs der gegen ihn zu veranlaßenden Criminal-Untersuchung sofort verhaftet worden.
Unter der Rubricke
Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei-Institute
haben wir nichts anzuzeigen.
Zustand der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse
im Monat Februar c. stellt diejenige Designation dar, welche Euer Majestät wir hierneben [17r] allerunterthänigst überreichen.
Von der Grenze.
Der Verweser des landräthlichen Amtes Saganschen Creises, Obrist von Dobschütz, berichtet uns, daß von Insassen des Königreichs Sachsen nicht nur die Auslieferung dahin ausgetretener schlesischer Cantonisten hartnäckig verweigert, sondern sogar den Dorfgerichten des Kreises, welche mit Rekruten nach Sagan gehend ihren Weg zum Theil über sächsisches Terrain nehmen müßen, in den Wäldern Banditenmäßig aufgelauert werde, um die junge Mannschaft ihnen abzuschlagen. Einen vor Kurzem vorgefallenen Excess dieser Art hat der Obrist von Dobschütz der kompetenten sächsischen Behörde angezeigt.
Militair-Sachen.
Die fremde Garnison der Vestung Glogau muß gegenwärtig wenigstens 7000 Mann stark seyn, da dieselbe bereits am 23ten v. M. aus 4955 Mann bestand, und am folgenden Tage durch 2 Regimenter des 7ten Armee-Corps vermehret werden sollte. Der dasige Commandant hat schon eine große Anzahl Häuser in dem dicht an jener [18r] Vestung gelegenen Dorfe Zerbau niederreißen und mit Abbrechung des Hinter-Dohms vorschreiten laßen. Auf dem Oder-Strohm von Glogau bis Neusalz sind von dem französischen Militair alle Fahrzeuge, welche dasselbe vorgefunden, versenkt worden.
Am 18ten v. M. hat die Arrier-Garde des Regnierschen Corps die Stadt Guhrau verlaßen, und in der nächstfolgenden Nacht ist die erste Rußisch Kayserliche Kosacken-Patrouille daselbst eingerückt. Am 21ten aber ist die Avent-Garde eines Rußischen Armee-Corps unter Commando des Kosaken-Obristen, Fürsten Madatoff, in Neu-Heydau und Luebchen, Wohlauschen Creises, angekommen. Sie steht zur Zeit grösstentheils dießeits der Oder, und es werden von ihr alle in ihrer Nähe gelegenen Dörfer fouragirt, und deren Einwohner nicht wenig belästiget. Jetzt ist zu Verpflegung der Pferde dieser Truppen, nicht nur zu Radtschütz ein Fourage-Magazin, sondern auch zu Neu-Heydau ein kleines Fourage-Depot angelegt. Das Corps des rußischen Generals Lanskoy, stehet zu Herrnstadt und Gegend. [18v]
Handels-Gegenstände.
Die Ausfuhr des Getraides aus unserm Administrations-Bezirks nach Sachsen und Böhmen war im letztverfloßenen Monat nicht schwächer als im Januar c. - Auch wurde eine sehr bedeutende Quantitaet von wollenen Tüchern nach Königsberg in Preußen versendet, woselbst einige schlesische Kaufleute ein Tuchlager auf Speculation errichtet haben. Der Vertrieb von Leinen-Fabricaten war dagegen höchst unbedeutend.
Im Monat Januar c. wurden 60 Stük Schaafe, aber keine Wolle, bei den Zoll-Aemtern unsers Departements zur Exportation angesagt.
Die Quantitaet der in gedachtem vierwöchentlichen Zeitraum bei den Zoll-Aemtern in Hirschberg, Schmiedeberg, Greiffenberg und Warmbrunn zur Ausfuhr declarirten Leinen-Waaren wollen Euer Majestät aus der unter L. D beigefügten Nachweisung zu entnehmen geruhen.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden im Departement
haben sich nicht ereignet.
Haupt-Gegenstände unserer kollegiali-[19r]-schen Beschäftigung im Februar c. waren ausser denjenigen, welche die alleruntersubmißest angeschlossenen Nummern 6-9 des dritten Jahrganges unsers Amtsblatts enthalten,
a) die Fürsorge für Bekleidung der Depot- und Garnison-Bataillons der niederschlesischen Brigade, so wie für die Lieferung der von den Militair-Behörden verlangten Equipirungs-Bedürfniße für einige Cavallerie-Regimenter. Nachdem die Depot-Bataillons alles, was für selbige begehrt worden, bereits in der Mitte des abgelaufenen Monats erhalten haben, erfolgt die Bekleidung der Garnison-Bataillons noch in dieser Woche vollständig. Ein gleiches geschieht auch in Ansehung der Cavallerie-Equipirung.
Wir können nicht umhin, die große Bereitwilligkeit zu rühmen, mit welcher besonders die Fabriquen-Städte des Liegnitzschen Regierungs-Departements die Behufs dieser Cavallerie-Equipirung ihnen unterlegten bedeutenden Leistungen, zu gewähren bemüht waren.
b) die Verfügungen zu Beschaffung der von gedachtem Departement begehrten großen Anzahl [19v] Recruten und Pferde. Die Aufbringung der letztern ist sehr schwierig geworden, da das Departement seit einem Jahre gegen 4000 brauchbare Pferde theils durch Gestellung an vaterländische und fremde Truppen, theils durch die gewaltsame Wegführung von Seiten der letztern bei ihrem Aufbruch nach dem Herzogthum Warschau im Monat April verloren hat.
c.) Verschiedene Vorkehrungen gegen die drohende Verbreitung von Epidemien bei Menschen und Rindvieh, welche die durch das Departement ziehenden siechen Ueberreste der großen französischen Armee, besorgen ließen.
Unter der Rubrick
dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]