10 Liegnitz, 6. November 1815
Zeitungsbericht für Oktober 1815
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16505, Bl. 73r-76v, Anlagen Bl. 77r-80r. Referent Kieckhoefer.
[73r] Liegnitz den 6ten Novbr: 1815.
Haupt-Zeitungs-Bericht vom Liegnitz[schen] Regierungs-Departement für den Monath October c:
Ewr: Majestät verfehlen wir nicht, den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement unserer Administration für den Monath October c. in nachstehenden Anzeigen allerunterthänigst zu erstatten:
Die Witterung
war im Ganzen heiter und mild. Der Wind blies gewöhnlich aus Süden. Den höchsten Stand hatte das Réaumursche Thermometer in der Gegend von Liegnitz am 20ten Mittags, wo dasselbe 15 Grad über Null zeigte, den niedrigsten am 11ten früh, und zwar 1/2 Grad unter diesem Punkte.
Von den Wintersaaten sind die frühern fast überall gut aufgegangen. Auch die spätern werden nicht zurück bleiben, da den Ackern der in diesen Tagen gefallene Regen diejenige Fruchtbarkeit ersetzt hat, welche durch Nachtfröste und Winde ihnen entzogen worden war.
Preise der Consumtibilien.
Die vormonathlichen Preise des Getreides auf den Märkten der vorzüglichsten Städte des Departements und das Verhältniß dieser Preise zu den in Böhmen und in den benachbarten Herzogthümern Sachsen und Posen bestandenen, werden in der, submissest angeschloßenen Designation unter dem Buchstaben A. pflichtschuldigst nachgewiesen. Den Berliner Scheffel Kartoffeln verkaufte man für 6 bis 15 gg: Münz-Courant.
[73v] Der Cours-Wert der Münz-Sorten, der Staats- und Communal-Papiere, imgleichen der kaufmännischen Wechsel
hat sich wiederum etwas gehoben. Die Tresorscheine galten 97 1/3 pro Cent und von den schlesischen Pfandbriefen wurden die großen mit 98 1/2, die kleinen hingegen so wie im Monath Septbr: c. mit 99 pro Cent bezahlt.
Rheumatisch nervöse Fieber, Kartarhal-Zufälle, Halsweh, und Diarrhöen waren die
Krankheiten,
welche an vielen Orten sich unter den Menschen zeigten. In Langheinersdorff im Sprottauschen Creise kamen bei fünf Personen die natürlichen Blattern zum Ausbruch. Im Löwenberg-Bunzlauschen Creise wurden mehrere Menschen aus Beschädigungen von einem tollen Hunde von der Wasserscheu ergriffen. Einer derselben ward nach völlig ausgebildetem Uebel vorzüglich durch starkes Aderlassen glücklich gerettet. In mehrern Dörfern Militzsch-Trachenberg[schen] und Glogauschen Creises leiden die Schaafheerden immer noch an der Pocken-Krankheit. Diese hat auch in einigen Dörfern des Freystaedtschen, Wohlauschen, und Steinauschen Creises sich geäußert. Die Praecautions-Impfung bewirkt aber überall einen bessern Krankheits-Verlauf, als die natürlichen Schaaf-Pocken darbiethen. Die Schaafheerden-Besitzer sind aber der Impfung eben nicht geneigt.
Unglücks-Fälle.
Zu Nieder-Harpersdorff, Goldberg-Haynauschen [74r] Creises ward der Häusler Pohl beim Abladen eines Baumstammes von demselben dergestalt geschlagen, daß er am folgenden Tage sterben mußte.
Der Herrschaftliche Fischer Hoffmann zu Möstgen, Schwiebusschen Creises, ertrank im sogenannten Mischlitz-S.
Zu Bienowitz im Lübenschen Creise, beschädigte das Stammschwein des Stifts-Dominic bei der Rückkehr von der Weide den vierjährigen Sohn des dortigen Gärtners Gottschling, welcher vor dessen Wohnung saß, am Unterleibe so stark, daß er 24 Stunden nachher seinen Geist aufgeben mußte.
Sechs Personen entleibten sich selbst aus Schwermuth. Am 3ten v. M. kam, durch bis jetzt noch unbekannte Veranlassung, bei dem Bauer Röhrig zu Wünschendorff im Löwenberg-Bunzlauschen Creise, Feuer aus, welches dessen Wohngebäude und Schuppen in die Asche legte.
Zu Zobten und Wenigwalditz, desselben Creises, brandte am erstern Ort durch Vernachläßigung von Kindern das Haus eines Häuslers, und an letzterm das Wirthschafts-Gebäude und der Viehstall eines der Frau Fürstin von Hohenzollern Hechingen und Wohlstein zugehörigen Bauerguth nieder. Ueber die Entstehungs-Ursache dieses Unglücks sehen wir dem nähern Bericht des Creis.Landraths noch entgegen.
Am 9ten v. M. ging zu Lampersdorff im Steinau-Raudtenschen Creise, das Gemeinde Hirtenhaus durch Verwahrlosung der Hirthin in Rauch auf.
Bereits im Monath Juny d. J. und neuerdings im [74v] September wurde uns die Entdeckung von falschen Viergroschene Stücken angezeigt.
Wir benachrichtigten darauf das Publicum hiervon durch unser Amtsblatt, und warnten dasselbe vor der Annahme solcher falschen Geldstücke. Jetzt ist, und zwar in der Person des Uhlanen Kayser von der in Raudten garnisonirenden 2ten Reserve-Cavallerie-Esquadron der Verfertiger jenes falschen Geldes entdeckt, und zur Haft gebracht.
Vermischte Nachrichten.
Der Jahrestag der glorreichen Völkerschlacht bei Leipzig ist an mehreren Orten des Departements und ganz besonders im Hirschbergschen Creise feyerlich begangen worden.
Am 21ten v. M. kam die Leiche des bei Fleury gefallenen Heldensohnes des Generals von der Infanterie Grafen York von Wartenberg von Paris zur hiesigen Stadt an. Sie ward an dem Haynauer Thore von einem Theil der Garnison empfangen, unter Militair-Musik und Glocken-Geläut durch die Stadt bis in die Nieder-Kirche begleitet, und am folgenden Tage weiter geführt. Auch an andern Orten des Departements ist diese Leiche feyerlich eingeholt worden.
In dem Monath Octbr: c. sind in dem Liegnitzschen Regierungs-Bezirk
Polizei-Institute
weder entstanden noch eingegangen.
Der Zustand der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse im Monath September c. wollen Ewr: Majestät [75r] aus der, unter Litt: B. allersubmissest beiugefügten Designation zu entnehmen geruhen.
Unter den Rubriquen von
Gränz-Sachen, und
Militaribus,
sind uns keine Nachrichten zugekommen, welche für Ewr: Majestät Interesse haben könnten.
Handels-Gegenstände.
Seit einiger Zeit ist der Absatz an wollenen Tüchern im hiesigen Departement von Bedeutung gewesen. Mehrere Agenten von Handels-Häusern aus Koenigsberg in Preußen haben sich in Schlesien eingefunden und den Tuchmachern unmittelbar ihre Fabricate abgekauft, welches denselben allerdings mehr Gewinn, als deren Absatz durch hiesige Tuchhändler gewähret. Dagegen ist die letzte Messe zu Leipzig sowohl für das Tuch-Verkehr, als für den Leinwandhandel der hiesigen Provinz sehr ungünstig ausgefallen. Besonders hat man eine ungewöhnlich große Quantitaet von englischen baumwollenen Waaren auf derselben bemerkt, und diese sind zu überaus niedrigen Preisen verlaßen worden. Man würde für die Zukunft eine sehr nachtheilige Rückwürkung davon auf den schlesischen Leinwandhandel befürchten müßen, wenn diese Waaren-Verschleuderung nicht für eine Bekundung des Nothstandes der, mit Steuern übermäßig belasteten englischen Nation gelten könnte, und eben darum zu hoffen wäre, daß die daraus hervorgehende Schlechtigkeit der Waare, die man hier und da schon wahrnahm, den englischen Manufactur-[75v]-Producten den Markt-Absatz in Teutschland verderben werde.
Was im v. M. bei den Zoll-Aemtern zu Hirschberg, Schmiedeberg, Greiffenberg und Warmbrunn an leinen Waaren zur Ausfuhr declarirt worden, geruhen Ewr: Majestät aus der, mit dem Buchstaben C. bezeichneten Beilage allergnädigst zu entnehmen.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden im Departement haben sich nicht ereignet.
Haupt-Gegenstände unserer collegialischen Beschäftigung im vorigen Monath waren:
1.) Die fortgesetzten Veranstaltungen zur Verpflegung der auf dem Rückmarsch aus Frankreich das hiesige Departement von drey verschiedenen Gränzpunkten ab, nehmlich über Crossen, über Sagan und über Loewenberg berührenden Rußischen Truppen,
2.) die Sorge für die invaliden Vaterlands-Vertheidiger, deren Wittwen und Waysen, zu deren Unterstützung die Kirchen-Collecten im hiesigen Regierungs-Departement einen Fonds von mehr als 6,000 r: zusammen brachten,
3.) der Betrieb des Kriegs-Vergütungen-Liquidations-Wesens, und die fortwährende Mitwirkung zum Retablissement der Kriegsverunglückten Grundbesitzer.
Außer diesen Gegenständen sind Vorwurf unserer Beschäftigung diejenigen Objecte gewesen, welche die allerdevotest beigeschlossenen Nummern 40 bis 44 unseres diesjähri-[76r]-gen Amtsblatts enthalten.
Unter der Rubrique
Dringende Reformen und Verbesserungen in der Administration
haben wir zur Zeit nicht vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]