5 Liegnitz, 1. Juni 1814
Zeitungsbericht für Mai 1814
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16504, Bl. 52r-56v, Anlagen Bl. 57r-61r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum fehlt.
[52r] Liegnitz den 1ten Junii 1814.
Haupt-Zeitungs-Bericht vom Liegnitzschen Regierungs-Departement für den Monat May c.
Euer Majestät wollen den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem unserer Verwaltung anvertrauten Landes-Bezirk für den Monat May c. in nachstehenden Anzeigen zu empfangen geruhen:
Die
Witterung
war den ganzen Monat hindurch, wenige Tage ausgenommen, sehr kühl. In den Nächten vom 1ten zum 2ten, vom 10ten zum 11ten, vom 11ten auf den 12ten und vom 12ten zum 13ten fanden Fröste statt, welche den Baum-Blüthen sehr geschadet haben, auch dem Wachsthum der Saaten und des Grases nachtheilig geworden sind. Der tiefste Stand des Reaumurschen Thermometers war in der Gegend von Liegnitz am 10ten früh 3 Grad unter dem Eis-Puncte. Gegen das Ende des Monats trat warme schwüle Witterung ein. Am 30ten Mittags zeigte das Thermometer 19 Grad über Null, welches sein höchster Stand war. Regen fiel den 7ten 9ten 10ten, und besonders den 23ten in der Nacht.
Die herrschende Richtung des Windes war aus [52v] Norden, Nord-Osten und Nord-Westen. Nur um die Mitte des Monats wehete er aus Osten und Süd-Osten. Von daher kam er auch seit dem 28ten bis 30ten Mittags.
Preise der Consumtibilien.
Die vormonatlichen Preise des Getraides auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements, und das Verhältniß dieser Preise zu denen des benachbarten Auslandes weiset diejenige Designation nach, welche Euer Majestät wir hierneben unter Lit: A ehrerbietigst überreichen.
Der Berliner Scheffel Kartoffeln wurde mit 8 g. bis 1 r. 4 gg. Münz-Courant bezahlt.
Der
Cours der Münz-Sorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel
hat sich nicht gehoben, sondern es ist derselbe vielmehr etwas gesunken. Die Tresorscheine galten 67 pro Cent, und von den Schlesischen Pfandbriefen standen die großen auf 84 3/4, und die kleinen auf 88 pro Cent.
Die
Sterblichkeit
der Einwohner des Departements war nicht bedeutend. Der eigentliche Typhus hat fast gänz-[53r]-lich aufgehört, und nur hin und wieder laßen sich noch schwache Spuren von Nerven-Fiebern bemerken. Der Katarrhal-Zustand war die am häufigsten beobachtete Kranckheits-Form, von welcher die Beschwerden des Halses und der Brust ausgingen. In minderer Zahl kamen gastrische Uebel zum Vorschein, und die vorher so häufigen Digestions-Fehler, so wie Durchfälle, wurden seltener.
Dem Weiterschritt der in mehrern Kreisen des Departements ausgebrochenen natürlichen Menschen-Pocken wird jetzt überall durch Anwendung der Vaccine Einhalt gethan.
Von Krankheiten unter den Hausthieren sind uns keine Anzeigen zugekommen.
Unglücksfälle.
Der Dienstjunge des beackerten Bürgers Weber zu Polkwitz, Nahmens Renner, wurde von einem Pferde abgeworfen, und darauf von demselben an dem Stricke, den er in Ermangelung eines Sattels sich an den linken Fuß gebunden, und an dem Zaum befestigt hatte, dergestalt herumgeschleift, daß er bald nachher seinen Geist aufgeben musste.
In dem Oder-Walde bei Prauckau, Wohlau-[53v]-schen Kreises, ertrank ein Dienstknecht Nahmens Münster, beim Schwemmen der Pferde, mit welchen derselbe in ein tiefes Loche gerathen war.
Zu Haynau wurde die vierjährige Tochter des Rathmanns und Kupferschmidts Hilscher, durch eine Schnur, mit welcher die Thüre seines Hauses aufgeklinkt wird, und die sie im Spielen sich um den Hals gelegt hatte, erdroßelt.
Vier Personen gaben sich aus Schwermuth selbst den Tod.
In dem Goldberg-Haynauer Kreise sind
zu Nieder-Steinberg am 9ten v. Mts. das Gehöft eines Freihäuslers, Nahmens Jaeckel, zu Armenruh das Wohnhaus des Freihäuslers Dietrich, und
zu Roechlitz, am 21ten, der Kretscham, sechs Gärtnerstellen, drei Freihäuser, und ein Auszugs-Haus, durch bis jetzt noch unbekannte Veranlaßung eingeäschert worden.
Zu Klein-Kotzenau, Luebenschen Creises, brandte die Stelle des Dreschgärtners Neumann, von dem entzündeten Ruß des Schornsteins im grundherrlichen Wirthschafts-Amts-Hause in Flammen gesetzt, nieder.
Am 2ten v. Mts. brach bei dem Bauer Roesler zu Schlawa früh um 2 Uhr ein Feuer aus, welches [54r] so schnell um sich grif, daß in Zeit von 2 Stunden 7 Bauerhöfe, 5 Gärtner-[,] 4 Kutschner-Stellen, eine Häusler-Nahrung und 12 Bürger-Scheunen in Asche verwandelt wurden. Die Entstehungs-Ursache dieses Unglücks hat nicht ausgemittelt werden können.
In dem Monat May c. sind in dem hiesigen Regierungs-Departement
Polizei-Institute
weder entstanden noch eingegangen.
Den
Zustand der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse im Monat May c.
wollen Euer Majestät aus der unter lit. B allerunterthänigst beigeschloßenen Designation zu entnehmen geruhen.
Für die Rubrik von
Grenz-Sachen, und
von Militaribus
sind uns keine intereßante Nachrichten zugekommen.
Handels-Gegenstände.
Aus dem Gebirge sind wiederum ansehnliche Sendungen von weißer Leinwand nach Breslau, Berlin und Königsberg in Preußen abgegangen, wogegen in das Ausland nur eine geringe Quantitaet verschickt worden ist. [54v] Auf der letzten Meße zu Leipzig haben unsere Leinwand-Kaufleute keine guten Geschäfte gemacht, weil der Waaren-Debit durch erhobene starke Transito-Gefälle von 5 r. für jeden Centner sehr erschwert worden ist. Sogar auf die abgegangenen Leinwand-Kisten hat der dortige Magistrat einen hohen Impost gelegt. Mehrere Danziger, Mecklenburger, Pohlnische und Rußische Kaufleute sollen wegen dieser Hinderniße keine Einkäufe gemacht, und ihre Gelder baar wieder nach Hause genommen haben. Die Quantitaet der im Monat May c. bei den Zoll-Aemtern in Schmiedeberg, Hirschberg, Greiffenberg und Warmbrunn zur Ausfuhr declarirten Leinen Waaren verzeichnet diejenige Nachweisung, welche Euer Majestät wir in dem Anschluß unter Lit: C allersubmißest überreichen. Im Gebirge ist zur Zeit großer Mangel an Webern, Spinnern und Bleich-Arbeitern, daher denn auch sowohl das Garn, als das Bleicher-Lohn immer mehr im Preise steigt. Da nun jetzt nach glorreich errungenen Feinden wohl viele Mannschaften aus Euer Majestät Krieges-Heer, wo nicht verabschiedet, doch nach ihrer Heymath beurlaubt werden dürften: so können wir den Wunsch nicht unterdrücken, daß zum Besten der wieder aufblühenden Leinwand-Manufacturen des Gebirges die bei den verschiedenen Land-[55r]-wehr-Regimentern der schlesischen Armee befindlichen Gebirgs-Weber, Spinner und Bleich-Arbeiter vor allen andern entlaßen werden möchten.
Auch in Ansehung des Tuch-Verkehrs ist die Leipziger Meße so ungünstig ausgefallen, daß die meisten von Goldberg und andern Fabriquen-Städten der Provinz auf dieselbe verführten Tücher wieder zurükgebracht worden, welches nothwendig einen sehr nachtheiligen Einfluß auf den Betrieb der schlesischen Tuch-Fabriquen haben muß. Die Fabrique des Kaufmanns und Rathsherrn Ruffer hierselbst hat im verfloßenen Monat wiederum nicht nur 30 Stück seiner Tücher im Werth von 1500 r. gefertiget, sondern auch 149 Stück feine und mittlere Tücher, deren Preis-Summe 8750 r. beträgt, nach Königsberg, Memel, Elbing und Braunschweig versendet.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden im Departement
haben sich nicht ereignet.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im abgewichenen Monat waren:
außer denjenigen, welche die allerunterthänigst beigeschloßenen Nummern 19 bis 22 des vierten [55v] Jahrganges unsers Amtsblatts enthalten,
1.)tens die Fürsorge für zwekmäßige Vertheilung der verschiedenen, theils durch Euer Majestät allerhöchste Gnade, theils durch milde Beiträge eingegangenen Geschenke zur Unterstützung der Kriegsbeschädigten Gegenden des Departements mit Saamen-Getraide, Geld zur Anschaffung von Zugvieh und sonstiger Lebens-Bedürfniße. Zu ersterm Zweck sind im Ganzen ungefähr 50,000 Scheffel Sommer-Saat-Getraide vertheilt, so wie zum Ankauf hauptsächlich von Zug-Vieh neuerdings 14,000 r. verwendet worden, welche der Provinz Schlesien für im vorigen Herbst nach Sachsen gelieferte Magazin-Güther ausgezahlet worden sind. Die aus England besonders durch die ruhmwürdige Verwendung des Geheimen Rathes Hilmer in Neusalz für das hiesige Regierungs-Departement zur Zeit überwiesene baare Unterstützung, welche ohngefähr 4000 £ St. beträgt, ist denjenigen Städten übereignet worden, welche als Kriegs-Schauplatz vorzüglich gelitten haben. Aller dieser von den Departements-Insaßen dankbar anzuerkennenden Unterstützungen ohnerachtet werden wegen des großen Mangels an Zugvieh, und weil eine bedeutende Anzahl Winter-Saat-Gefilde an vielen Orten wegen [56r] mangelhafter Bestellung im vorigen Herbst jetzt umgeackert werden müßen, nicht unbedeutende Fluren in der Gegend von Bunzlau und Glogau unbestellt liegen bleiben, wie denn auch die baaren Geld-Unterstützungen bei Weitem nicht ausreichen, um die wüsten Gebäude wieder aufzurichten, deren Retablissements-Kosten in der Stadt Bunzlau allein nach einem ohngefähren Anschlage auf 76000 r. angegeben sind.
2tens die Voranstalten zur Verpflegung der für die Monate Junii et Julii c. zum Durchmarsch angekündigten bedeutenden Kaiserlich rußischen Truppen-Corps, von welchen drei, deren Stärke zu 135,000 Mann Infanterie und 82000 Mann Cavallerie angegeben ist, das hiesige Regierungs-Departement durchziehen. Weil diese Truppen-Märsche besonders diejenigen Gegenden treffen, welche im vorigen Herbst als Kriegs-Schauplatz so hart mitgenommen worden, also deren Bewohner nur so viel gerettet, als erforderlich, um ihre Subsistenz mühsam zu fristen, so blicken dieselben mit großer Besorgniß jenen Durchmärschen entgegen, von denen sie glauben, daß sie den Verlust ihrer dießjährigen Saaten-Kleefelder und Heu-Erndte zur Folge haben können. Ihre [56v] Hoffnung ist auf das Gelingen unseres Antrages gerichtet, daß den großen Truppen-Maßen Bivouaqs angewiesen werden, welche mit vaterländischen Truppen umstellt, für alles Marodiren schützen können.
3tens die fortgesetzte Bemühung, vor dem Eintritt des zu erwartenden großen Sommer-Waßers an den Dämmen des Oderstrohms die Schäden wieder herzustellen, welche durch das Frühjahr-Waßer verursacht worden sind. Diese Bemühung erfährt jedoch an dem Mangel arbeitsfähiger Menschen-Hände ein großes Hinderniß.
Unter der Rubrick
Dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]