9 Liegnitz, 5. Oktober 1810
Zeitungsbericht für September 1810
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16500, Bl. 43r-48v, Anlagen Bl. 49r-52r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum fehlt.
[43r] Liegnitz den 5ten October 1810.
Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Liegnitzschen Regierungs-Departement für den Monat Septbr: c.
Ewr. König. Majestät verfehlen wir nicht den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem unserer Verwaltung anvertrauten Landes-Bezirk für den Monat September c. in nachstehenden Anzeigen allerunterthänigst zu erstatten:
Witterung.
Die herrschende Richtung des Windes war vom 1ten bis zum 4ten v. M. südlich, vom 5ten bis 11ten nördlich, vom 12ten bis zum 30ten aber fast beständig südlich und südöstlich. Beinahe den ganzen Monat hindurch zeigte sich am Himmel kein Gewölk. Am 4ten fand ein Gewitter mit wenig Regen statt. Auch fiel den 29ten und 30ten etwas Regen. Doch war derselbe sehr schwach und von so kurzer Dauer, daß er nicht einmal den Staub zu löschen, geschweige die schon lange Zeit außerordentlich schmachtenden Gefilde einigermaßen zu erquiken vermochte. Ungemein behindert die anhaltende Trokkenheit der Witterung den Landmann in Bestellung der Wintersaat. Zugleich ist sie Grund eines drükkenden Futter- und Waßer-Mangels, so wie eines furchtbaren Staubes, von welchem allerlei Krankheiten unter dem Vieh, besonders den Pferden, Rindern und [43v] Schaafen sich befürchten laßen. Ihnen, so viel an uns liegt, vorzubeugen, haben wir den Landräthen des Departements zur weitern nachdrüklichen Empfehlung an die Insaßen ihrer Creise diejenigen Mittel bekannt gemacht, die der Regierungs- und Medizinal-Rath Kausch in Gefolg unseres Aufrufs für den Zwek vorgeschlagen hat.
Der höchste Stand des Réaumurschen Thermometers war in der Gegend von Liegnitz den 4ten 24 Grad, und der niedrigste den 8ten 9ten 18ten 21ten und 28ten 5 Grad über dem Gefrierpunkt.
Die dießjährige Getraide-Erndte ist im Ganzen besonders in Ansehung der Winterung, den Wünschen des Landmanns entsprechend ausgefallen, wogegen beim Heu und Grummet gegen andere Jahre ein großer Rükschlag bemerkt wird, der um so empfindlicher ist, da wegen der ausgebrandten Triften mehrere Vieh-Gattungen schon seit einiger Zeit mit trokenem Futter in den Ställen unterhalten werden müßen.
Preise der Consumtibilien.
Welche Preise das Getraide im abgewichenen Monat auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements gehabt, und wie diese Preise sich zu denen des benachbarten Auslandes verhalten, wollen Ewr. König. Majestät auf der unter dem Buchstaben A beigeschloßenen balancirten Designation huldreich zu entnehmen geruhen.
In der Beilage sub litt: B wird die Quantitaet des im September c. ein- und ausgeführten Getraides designirt.
[44r] Der Berliner Scheffel Kartoffeln gilt dermalen 8 bis 14 gg. in Realmünze.
Die Nachweisung unter litt: C verzeichnet die Summen und Preise der eingeführten Colonial- und andern ausländischen Waaren.Es sind dieselben, den Pfeffer und das Indigo ausgenommen, woran ersterer um 7 sg. für das Pfund, und letzteres zum großen Nachtheil für die Fabriken um 7 r. gestiegen ist, nicht theurer geworden.
Cours der Münzsorten Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel.
Das Courant-Geld und Gold sind im verfloßenen Monat gegen Nominal-Münze gefallen. Es rührt dies zum Theil daher, daß glaubwürdigen Versicherungen zu Folge das Gouvernement des Herzogthums Warschau sich genöthiget gesehen hat, die bisher von dasigen öffentlichen Cassen ausgeschloßen gewesene preußische Scheidemünze nach deren Realwerth wieder anzunehmen, weshalb dieselbe von den Juden in Schlesien gegen Courant nach dem Cours-Werthe eingewechselt worden ist. Zum Theil ist es aber auch eine Folge des sich in den letzten Monaten gehoben habenden Absatzes der Schlesischen Leinewanden und Tücher in das Ausland.
Die großen schlesischen Pfandbriefe stehen 81 die kleinen aber 86 pro Cent.
Die bisherige warme und trokene Witterung hat auf den
Gesundheits-Zustand
[44v] der Menschen eine wohlthätigen Einfluß gehabt. Inzwischen leiden jetzt noch hin und wieder die Kinder am Keuchusten, am Scharlachfieber und am weißen Friesel, von welchen manches hingeraft wird. Besonders hat sich letztere Krankheit mit einem anstekkenden Charakter in der Stadt Freystadt geäußert, weshalb jedoch als bald die zwekmäßigste Maaßregeln von Polizeiwegen ergriffen worden sind.
Unter dem Vieh werden zur Zeit noch keine gefährliche Krankheiten bemerkt, so sehr auch die oben allerdevotest angezeigten Umstände auf deren Erzeugung hinwirken. Nur in Wallisch, Saganschen Creises, war in der Mitte des abgewichenen Monats die herzogliche Schaafheerde von der Räude noch nicht völlig hergestellt, und in verschiedenen Dörfern des Militsch-Trachenbergschen Creises, imgleichen auch dem Herrnstaedtschen Domainen-Amts-Vorwerke Bobile zeigen sich unter dem Schaafvieh die Blattern. Ihr Charakter ist jedoch nicht bösartig, so daß man von den zu ihrer Entfernung getroffenen zwekmäßigen Anstalten sich einen guten Erfolg mit Zuversicht versprechen darf.
Unglücks-Fälle.
Vier Personen haben im vorigen Monat aus Schwermuth sich den Tod gegeben.
Am 1ten v. M. wurden 3 Arbeiter in den Sandgruben hinter der Glogauer Vorstadt hieselbst von einem auf sie herabgestürzten Kloß fester Erde, die sie zu sehr untergraben hatten, dergestalt beschädigt, daß der eine [45r] auf der Stelle todt blieb, die beiden andern aber zur Zeit ihre Gesundheit noch nicht wieder erlangt haben.
Zu Klein-Neundorff, Loewenbergschen Creises, wurde der 9 jährige Pflegling des March-Commissarii und Creis-Deputirten Materne bei deßen Rükkehr entseelt gefunden. Ein Pistol, welches der Knabe in Abwesenheit des Letztern von dem Nagel über deßen Bett herabgenommen, und deßen Entladung wahrscheinlich durch Tändeln damit veranlaßt worden war, hatte ihm das Leben genommen.
Zu Ausche im Liegnitzschen Creise erschlug der Wipfel einer Pappel den dortigen Schäferjungen bei deren Belaubung.
Zu Ulbersdorff, Goldbergschen Creises, ertrank das 1 1/2 jährige Söhnchen des Freihäuslers Reichert in einem Hälter.
Bei Alt-Bielawe, im Freystaedtschen, wurde die Ehefrau des Tischlers Weichert beim Uebersteigen eines Zaunes von dem Gewicht einer Grasbürde erwürgt, deren Strikke sie an ihrem Halse zusammen geschlungen hatte.
Im Loewenbergschen Creise ist das Wohnhaus des Häuslers Schmidt zu Langwasser, und in Wenigrackwitz der Gerichts-Kretscham abgebrandt.
Auf gleiche Art ist das Gehöft des Freikutschers Mooser zu Saabor am Hammer im Grünbergschen Creise zerstört worden.
Ein am 13ten v. M. zu Schampke, im Schwiebusschen, ausgebrochenes Feuer hat 12 Bauernahrungen, 3 Gärtner- und 3 Häuslerstellen, imgleichen das evangelische und katholische Schulhaus in die Asche gelegt. Auch verunglükte dabei ein 3 jähriges Kind.
[45v] Am 12ten v. M. entstand zur Abendzeit in der Scheuer des Bauers Fischbach zu Quaritz, Glogauschen Creises, ein Brand, der bald so heftig um sich griff, daß in Zeit von 3 Stunden, 22 Bauergehöfte, und 23 kleinere Stellen ein Raub der Flammen wurden. Ein Knabe von 12 Jahren fand in denselben seinen Tod. Auch verbrandte eine ungeheure Menge von Getraide, so wie eine Kuh, ein Kalb und 17 Schweine. Der dadurch verursachte Schaden wird mit Ausschluß des Getraides auf 56,000 r. berechnet. Wegen Retablirung der eingeäscherten Possessionen in regelmäßiger und feuersichern Art haben wir bereits an den Creis-Landrath und an den Bau-Inspector das Erforderliche verfügt, und ist der Regierungs- auch Baurath Heermann an Ort und Stelle gesandt worden, um, daß dem Verfügten überall nachgelebt werde, Veranstaltung zu treffen.
Von keinem der vorstehend angezeigten Brände hat die Entstehungs-Ursache ausgemittelt werden können.
Für die Rubrick
Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei-Institute
sind wir mit Nachrichten nicht versehen.
Summarische Nachweisung der Zuflüße in die König. Cassen.
Die Einnahme für den Monat September hat bei der Regierungs-Haupt-Casse sich belaufen auf 108,991 r. 6 g. 5 3/5 pf.
Die Einnahme-Reste betragen ........... 38502 -- 11 - 7 4/5 [pf.]
Ausgegeben sind ..............................................................
An Ueberschüßen zu den Staats-Cassen sind abgeführt worden:
[46r] a) aus den laufenden Gefällen .... 90729 r. 4 gg ---- [pf.]
b) aus der Resten-Casse .................. [---------------------]
c) an eingegangenen Nachzahlungen [---------------------]
Militair-Sachen.
Am 20ten v. M. ist zu Glogau der französische Divisions-General Beaupré eingetroffen, und hat als Nachfolger des verstorbenen Generals und Vestungs-Commandanten Baron von Rheinwald, das Commando des Platzes übernommen.
Eben so ist daselbst eine französische Artillerie-Compagnie von Mainz kommend, eingerükt. Sie soll diejenige französische Artillerie-Compagnie ersetzen, welche bisher in Glogau garnisonirt hat, und die vor Kurzem zum Theil nach Danzig, zum Theil aber nach Metz marschirt ist.
Von der Grenze.
Durch ein Decret des Königs von Sachsen Majestät d.d. Pillnitz 16ten Julii c. ist die Ministerial-Verfügung, daß Schlesische Kaufleute und Markt-Fieranten die Jahrmärkte im Herzogthum Warschau nicht besuchen, und ihre Waaren auf denselben nicht verkaufen dürfen, wieder aufgehoben werden.
Zu den unverbürgten Gerüchten gehört, daß mehrere tausend Mann französischer Truppen durch die Nieder Lausitz in drei Colonnen nach dem Herzogthum Warschau marschieren, und daselbst ein Lager beziehen sollen.
Außer dem erfolgten Ableben des bei hiesiger Regierung vor Kurzem als Consistorial-Rath angestellten vormaligen Senioris Vangerow zu Goldberg sind keine
[46v] Veränderungen bei öffentlichen Behörden
vorgekommen.
Commercium.
Zur Hebung des Handels der Provinz wird die Verordnung des Königs von Sachsen Majestät, daß schlesischen Kaufleuten die Jahrmärkte des Herzogthums Warschau, mit ihren Waaren zu besuchen, wieder verstattet seyn soll, etwas beitragen. Das Tuch-Commercium hat guten Fortgang, und es werden vorzüglich die Tücher von mittler Qualitaet, die 30er und 32er gesucht.
Bei den Zoll-Aemtern unseres Departements sind im Monat September c. 31 Stein 18 27/37 Pfund Wolle Berliner Gewicht, imgleichen 427 Stük bewolltes und 548 Stük unbewolltes Schaafvieh zur Ausfuhr declarirt worden.
Es bestätiget sich leider! nur zu sehr, daß mancher Kaufmann sich von den französischen Lizenzen größere Vortheile für den Leinwandhandel versprochen, als nach den mit Groß-Brittanien noch fortdauernden Verhältniße erwartet werden durften. Ein großer Theil dieser Lizenzen ist vor der Hand in Hamburg zu Getraide-Verschiffungen benutzt worden. Das Getraide steht in niedrigem Preise, und wird, wie die Hamburger Commissionairs versichern wollen, in Frankreich verhältnißmäßig am Besten bezahlt. Jene Lizenzen müßen überdies so theuer erkauft werden, daß man davon wenig Gebrauch machen würde, wenn es nicht den Schifs-Rhedern darum zu thun wäre, ihre im Hafen so lange Zeit unthätig gelegenen [47r] Schiffe in See zu bringen, und wenigstens die Fracht zu verdienen. Für jetzt ist daher in Hamburg und Bremen, als den einzigen Verschiffungs-Plätzen, noch kein lebhafter Begehr nach unsern Leinen eingetreten. Man hoft aber ein günstiges Arrangement gegen das Spätjahr vor dem Schluß der Schiffahrth. Wahrscheinlich sind deshalb schon im verfloßenen Monat bedeutende Waaren-Sendungen nach jenen Handels-Plätzen geschehen.
So abweichende Richtungen nimmt indeßen der Handel, daß auch noch in gedachtem vierwöchentlichen Zeitraum nach Böhmen, woher sonst Schlesien den dritten Theil seiner Leinen für das Ausland bezog, an dergleichen Fabricaten für mehr als 30,000 r. aus hiesigem Departement versendet wurden. Dieser Absatz scheint inzwischen beendigt, da viele von Böhmischen Einkäufern schon vor zwei Monathen behandelte Waaren noch nicht abgeholt und eingelöset worden sind.
Der Hafen von Triest wird von Englischen Schiffen streng bloquirt gehalten. Die jenseitigen Druk-Fabriquen mögen hinreichend versorgt, und die von der Landwehr an ihre Weberstühle zurükgekommenen Einwohner jetzt wieder in voller Thätigkeit seyn. 186 Kisten Leinwand wurden im vergangenen Monat theils in andere Provinzen Ewr. König. Majestät, theils in das Ausland aus dem Gebürge über Aufhalt auf der Oder verschifft. Der Werth dieser [47v] Waaren wird zur Summe von 81,885 r. berechnet.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im verfloßenen Monath waren:
die Vorkehrungen zu Abwendung der Nachtheile, womit die Provinz von der anhaltenden Dürre in Bezug auf den Viehstand sich bedroht sieht,
Berichts-Erstattungen und Verfügungen zu Erhaltung der öffentlichen Sicherheit bei dem Eindringen von Vagabonds in die Provinz, besonders auch, um die große Anzahl österreichischer entlaßener Soldaten, die durch dieselbe ziehen, mit Sicherheit durch sie zu geleiten, so wie wegen Einführung von Wanderbüchern für die Handwerks-Burschen, und Abstellung des Fecht-Unwesens.
Die Einleitung zum Wieder-Aufbau der eingeäscherten Gebäude des Glogauschen Creis-Dorfes Quaritz in regelmäßiger und feuersicherer Art.
Berathung mit der Breslauer Regierung über Abkürzung und Sicherung der Landstreicher-Transporte.
Die durch die extraordinairen Revisionen der Apotheken veranlaßten Verfügungen,
Untersuchungen von Contraventionen gegen die Verordnung wegen des Todtschlagens toller Hunde,
Die Anordnung strenger Aufsicht auf reisende und im Lande umherschweifende einheimische und fremde Juden für den Fall, daß solche mit Päßen nicht versehen sind,
Die Verhandlungen mit mehrern Tuchmachern des [48r] Departements wegen Uebernahme einer Lieferung von Montirungs-Stükken für Ewr. König. Majestät Armée,
Vorschläge zu sicherer Erziehlung des sporadischen oder Auseinanderbaues der Gebäude in denjenigen Dörfern, wo die Akker-Gemeinheiten aufgehoben sind,
die Einführung der Schnellschützenweberei bei der Leinwand-Fabrication,
Vorarbeiten zu Errichtung eines besonderen Schullehrer-Seminarii für das Liegnitzsche Regierungs-Departement.
Unter der Rubrick von
dringenden Reformen und Verbeßerungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]