6 Liegnitz, 4. Juli 1811
Zeitungsbericht für Juni 1811
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16501, Bl. 38r-42v, Anlagen Bl. 43r-45r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum 12. Juli 1811.
[38r] Liegnitz den 4ten Julii 1811.
Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement der Liegnitzschen Regierung für den Monath Junii c.
Ewr. Majestät wollen den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement unserer Administration für den Monath Junii c. in nachstehenden Anzeigen allergnädigst zu empfangen geruhen.
Witterung.
Die Richtung des Windes war sehr veränderlich. Gewitter fanden den 1ten, 2ten, 13ten, 17ten 22ten 24ten, 28ten, 29ten und 30ten statt. Der höchste Stand des Réaumurschen Thermometers war in der Gegend von Liegnitz den 12ten Mittags 24 1/2 Grad, und der niedrigste den 5ten früh 8 Grad über dem Gefrier-Punkt. Die Winterung hat von der grossen Hitze in der ersten Hälfte des verflossenen Monats, besonders auf sandigen Böden und Anhöhen, Nothreife erhalten, und man ist bereits mit deren Einfuhr in die Scheuren beschäftiget. Die Sommerfrüchte haben durch die bei jenen Gewittern gehaltenen Regen zwar neues Leben empfangen; aber ihre Halme bleiben kurz, und sie werden also kein den Wünschen des Landmanns entsprechendes Stroh gewähren. Das Grünzeug steht ganz gut.
[38v] Preise der Consumtibilien.
Welche Preise das Getraide im abgewichenen Monat auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements gehabt, und wie diese Preise sich zu denen des benachbarten Auslandes verhalten wird in der unter dem Buchstaben A beigeschlossenen balancirten Designation pflichtschuldigst nachgewiesen.
Die Beilage sub Litt. B designirt die Quantitaet des im Monat May c. ein- und ausgegangenen Getraides und Gemüses.
Der Berliner Scheffel Kartoffeln wird in denjenigen Gegenden unseres Verwaltungs-Bezirks, wo diese Erdfrüchte noch zu haben sind, mit 10 bis 16 sg. Real-Münze bezahlt.
An dem Breslauer
Cours der Münz-Sorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel
bemerkte man im Juny c. keine bedeutende Veränderung gegen den im May-Monat. Nur die Schlesischen Pfandbriefe sind um einige Thaler gestiegen, und es gelten die grossen 10, die kleinen aber 13 proCente. Nach dem Berliner Cours hingegen sind diese Papiere von 77 auf 69 herabgesunken.
Auffallende
Sterblichkeit
wurde im vergangenen Monat unter den Menschen nicht bemerkt. Aber Krankheiten verschiedener Art, besonders Brust- und Hals-Uebel, imgleichen Diarrhoeen [39r] und Koliken so wie das Wechselfieber waren an mehrern Orten herrschend. Die Masern zeigten sich als wirklich epidemisch; und Kinder sowohl, als Erwachsene wurden von ihnen ergriffen. Auch kamen in 2 Dörfern des Militsch-Trachenbergschen Creises, und zu Glogau unter den Kindern eines fremden Juden die natürlichen Blattern zum Ausbruch. Zu Verhütung ihrer weiteren Verbreitung hat man die erforderlichen Anstalten unverzüglich vorgekehrt.
Sehr freuen wir uns, Euer Majestät allerdevotest anzeigen zu können, daß die Rindviehpest nunmehr auch zu Herrmannsdorf im Bezirk von Jauer sowohl, als zu Aslau, Loewenberg-Bunzlauschen Creises, vollständig vertilgt. Das Departement unserer Verwaltung ist also jetzt wieder gänzlich frey von diesem furchtbaren Uebel.
Unglücks-Fälle[.]
Zwei Sächsische Soldaten von der fremden Garnison zu Glogau ertranken beim Baden in dem Oderstrom. Auf gleiche Art fand der 12 jährige Sohn des Kaufmanns Franke zu Bunzlau den Tod im Boberfluß.
In Sprottau wurde ein Fuhrmann von 2 Pferden dergestalt geschleift, daß er bald darauf seinen Geist aufgeben musste.
Der Leinwandhändler Illmer aus Nieder-Herzogswaldau Freystaedtschen Creises fiel im Zustande der Trunkenheit in der Crossner Vorstadt von Freystadt vom Wagen [39v] und ihm wurde der Kopf zerschmettert.
Am 18ten v. Mts. hatte der herrschaftliche Schäferknecht Auras zu Kroitsch, im Liegnitz. Creise, das Unglük, aus dem Kappfenster des Heubodens auf die Erde herabzustürzen, und dabei Arm und Bein zu brechen, auch sonst stark beschädigt zu werden. Einige Tage nachher starb er in einem Alter von 60 Jahren an den Folgen dieses Falls.
Am 11ten verlohr der Bauer und Gerichts-Geschworne Kühn zu Neudorff am Graeditz-Berge auf der Reise dadurch das Leben, daß sein Pferd stürzte, und auf ihn fallend ihm die Brust zerdrükte. Den gewesenen Scholzen Irrgang aus Alt-Bielawe, Freystaedtschen Kreises, tödtete zwischen Schönaiche und Rosenthal ein Wetterstrahl.
Drei Personen griffen durch Selbstmord dem Verhängniß vor. Unter diesen befindet sich der herrschaftliche Förster Müller zu Talbendorff, Luebenschen Creises, der durch einen Flintenschuß im Walde darum sich entleibte, weil er von einem Feuer, welches er in letzterm angemacht, und auf einige Augenblike verlassen hatte, bei seiner Rükkehr eine Klafter Holz, imgleichen ein Schok Reisig in Flammen gesetzt sah, und bei der Unmöglichkeit baldiger Löschung von ihm befürchtet wurde, daß der Feuerschaden sehr bedeutend werden dürfte, welches jedoch nicht der Fall gewesen ist.
Am 1ten v. Mts. ward bei dem Erb- und Gerichtsscholzen Scholz zu Seitendorff, Loewenberg-Bunzlauschen Kreises, [40r] durch Einschlagen des Blitzes ein Feuer veranlaßt, welches sein schönes, erst vor einigen Jahren neu aufgebautes Gehöfte in einen Schutthaufen verwandelte.
Eben so wurde in jedem der Dörfer Bremberg, Jauerschen, und Heinzendorff, Freystaedtschen Creises durch einen Wetterstrahl eine Häuslerstelle in Flammen gesezt und zerstört.
In Seiffersdorff, Liegnitzschen Creises, gerieth bei nächtlicher Weile das Bakhaus des herrschaftlichen Schäfers in Brand. Ein Bösewicht scheint denselben gestiftet zu haben, da die Flamme sich zuerst an dem Dache jenes Hauses gezeigt hat.
Am 15ten Nachmittags wurde ein der Baronesse von Troschke zugehöriges Bauerguth in Wültschkau, Liegnitzschen Creises, eingeäschert. Bei der von dem Landrath abgehaltenen Untersuchung über die Entstehungs-Ursache dieses Unglücks hat sich die an Gewißheit reihende Wahrscheinlichkeit ergeben, daß solches durch Anstekung von Seiten des dortigen Viehpächters Riedel herbeigeführt worden. Man hat daher diesen Menschen sogleich arretirt, und an das hiesige Inquisitoriat Behufs des gegen ihn einzuleitendes Criminal-Prozesses abgeliefert.
Durch eine in dem Wohnhause des Scholzen Martz zu Romnitz, gleichfalls im Bezirk von Liegnitz ausgebrochene Feuersbrunst wurde nicht nur dieses Haus, sondern auch zwei Häusler-Wohnungen vernichtet. Der Art, wie [40v] dieser Brand entstanden, hat der Landrath vergebens nachgeforscht.
Zu Küpper, im Saganschen Creise, gingen 2 Bauer-Nahrungen in Rauch auf. Auch von diesem traurigen Ereigniß ist die Entstehungs-Ursache nicht mit Zuverlässigkeit zu eruiren gewesen.
Auf den Getraidefeldern verschiedener Dörfer des Saganschen, Steinauschen und Jauerschen Creises haben die Schlossen grossen Schaden angerichtet.
Am 13ten v. Mts. ist zu Dammer, einem zu dem Seiner König. Hoheit, dem Herrn Prinzen Ferdinand von Preussen zuständigen Amte Gramschütz im Glogauschen Kreise, gehörigen Guthe, ein Wolkenbruch gefallen, durch welchem die Grundstükke des Dominii sowohl, als der Guths-Insaßen ausserordentlich ruinirt, und nebst Wiesen auf lange Zeit versandet worden sind.
Unter der Rubrik
Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei-Institute
haben wir nichts anzuzeigen.
Summarische Nachweisung der Zuflüße in die König. Cassen.
Die Einnahme der Regierungs-Haupt-Casse hat in dem Monat Juny c. sich belaufen auf ............ pro Junio 21469 r. 3 g. 11 pf.
nachräglich aus dem
Jahre 1810/1 ................ [pro Junio] 128,686 - 17 -- 3 2/5 [pf.]
Die Einnahme-Reste
betragen ----------------------------------------------------
Ausgegeben sind --------------------- 13242 - 22 - 1 1/5 [pf.]
An Ueberschüssen zu den Staats-Cassen sind aus den laufenden Gefällen pro Junio
abgeführt worden --------------------- 2890 -----------------
aus den Resten pro 1810/1 ----------- 58144 -- 8 -- 5
[41r] Unter der Rubrike von
Militair-Sachen
haben wir blos allerunterthänigst zu melden, daß der französische Vestungs-Commandant Divisions General Beaupré zu Glogau und Hamburg commandirt ist. Sein Nachfolger der General Jacquinot ist am 22ten v. Mts. zu Glogau eingetroffen.
Grenz-Sachen.
In dem Herzogthume Warschau wird jetzt wieder stark recrutirt. Viele junge Männer treten daher, um der Einziehung zu entgehen, aus demselben in hiesige Provinz über. Das dortige Militair soll hinter Warschau sich zusammen ziehen. Die Unzufriedenheit über die neuen Einrichtungen, und besonders über den Druk der Abgaben dauert daselbst fort.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden in unserem Departement
haben sich im vergangenen Monat nicht ereignet.
Commercium.
Die Tuch-Fabriquen haben fast gar keinen Absatz mehr, obgleich sie die fertigen Tücher mit Schaden zu verkaufen bereit sind. Es ist darum auch von den Tuchmachern unsers Departements auf dem zu Johannis abermals stattgefundenen Breslauer Wollmarkte sehr wenig Wolle, und kaum der dritte Theil von dem, was sonst jeden Markt abgeholt wurde, erkauft worden. Die Lage der Tuch-Fabricanten ist in der That höchst traurig, und eben so die der armen Volks-Classe, welche zeither sich vom Woll-Spinnen nährte, und jetzt von den Tuchmachern nur wenig Arbeit erhält. In Goldberg sind wegen der grossen Stokung des Tuchhandels seit Kurzem 70 Tuchmachergesellen [41v] verabschiedet worden, und bald dürften noch 50 andere entlassen werden, unter denen sich viele arme Meister aus dasigem Orte befinden. Der hiesige Kaufmann Ruffer, welcher sonst daselbst sehr bedeutende Geschäfte machte, kauft, seitdem in Rußland das Verbot der Einfuhr fremder Tücher ergangen, kein Stük Tuch mehr. Die russischen Juden kommen nicht weiter, um Tücher zu holen, in hiesige Provinz, und die pohlnischen bleiben ebenfalls ganz weg.
Bei den Zoll-Aemtern unseres Departements sind im Monat May c. 25 Stein 12 1/2 lb. Wolle Berliner Gewicht, imgleichen 456 Stük Schaafvieh zur Ausfuhr declarirt worden.
Ein unerbittliches Verhängniß hält die Ausflüße der Elbe und Weser verschlossen, und somit den Absatz schlesischer Leinen in das Ausland fast gänzlich. Da Triest durch hohe Zölle und fremde Leinen Waaren für Schlesien gesperrt ist, so werden jetzt Versuche zu deren Versendung über Botzen und Italien gemacht, weil an diesem Orte jene hohen Zölle nicht statt finden. Seit einigen Wochen kommen nach Hirschberg, Greiffenberg und in andere Gebirgs-Städte wiederum böhmische Kaufleute, um Leinwand und Garne abzuholen. Sehr ist zu wünschen, daß sie nicht wieder so, wie im vorigen Jahre, plötzlich zurük bleiben mögen, weil, wenn die hohen Preise mit einem Male sänken, der Verlust des Schlesischen Kaufmanns an der vorräthigen theuren Waare den gehabten Gewinn übersteigen würde. Schlimm ist es übrigens, daß ein Theil der Gebirgs-Kaufleute, über diejenigen Kapitalien und Waaren, die dieselben in England, Amerika, Cadix und andern spanischen Plätzen stehen [42r] haben, nicht verfügen können. Denn nur durch England würden sie von ihrem Eigenthum und ihren Forderungen die nöthigen Nachrichten erhalten können. Aber dieser Canal ist ihnen zur Zeit verschlossen. Nach öffentlichen Blättern sollte die nachgesuchte Erlaubniß ertheilt worden seyn, von den französischen Häfen la Rochelle und Morlaix aus mit England zu korrespondiren. Briefe aus Hamburg melden jedoch, daß diese Vergünstigung versagt sei.
Ein Faß und 29 Kisten Leinwand sind im verflossenen Monat theils in andere Provinzen Euer Majestät theils in das Ausland auf der Oder über Aufhalt aus dem Gebirge verschift worden. Der Werth dieser Waaren wird auf 12790 r. angegeben.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im abngewichenen Monat
waren
die Revision der neuen Gewerbe- und Luxus-Steuer-Register,
die Vorarbeiten zu Errichtung eines neuen Schullehrer-Seminarii,
die Verfügungen an die Creis Landräthe zu Gestellung von Cantonisten an diejenigen Truppen-Abtheilungen, welche derselben bedürfen,
die Beitreibung rükständiger Pachtgefälle von den General-Pächtern Euer Majestät Domainen-Aemter.
Die fortgesetzten kommissarischen Arbeiten wegen Veranschlagung, Veräusserung oder Verpachtung der [42v] Kloster-Güther.
Unter der Rubrik
dringende Reformen und Verbesserungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Schlüßlich verfehlen wir nicht, Euer Majestät die Nummern 7 8 und 9 des hiesigen Regierungs-Amts-Blattes hierneben allerunterthänigst zu überreichen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]