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Zeitungsbericht für Oktober 1812

 

GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16502, Bl. 75r-79r, Anlagen Bl. 80r-84r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum 10. November 1812.

 

 

[75r] Liegnitz den 1ten November 1812.

 

Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement der Liegnitzschen Regierung für den Monat October c.

 

 

Euer Majestät verfehlen wir nicht den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem unserer Verwaltung anvertrauten Departement für den Monath October d. J. in nachstehenden Anzeigen allerunterthänigst abzustatten: Die

 

Witterung

 

war bis in die Mitte des Monats warm und heiter, so daß der Landmann in der nunmehr fast überall geschloßenen Winter-Saat-Bestellung nicht aufgehalten wurde, und alle Arten von Garten-Früchten troken eingebracht werden konnten. Der Wind wehete gewöhnlich aus Süden und Westen. Der höchste Stand des Reaumurschen Thermometers war in der Gegend von Liegnitz den 9ten Mittags 17 und der tiefste den 28ten früh 1 Grad über dem Eispunkte. Von den Roggen-Saaten sind die frühern bereits trefflich aufgegangen, und sehr stark bestokt. Sie werden also nach dem Eintritte des Frost-Wetters den Schaaf-Heerden reichliche Nahrung, und Ersatz für den diesjährigen Mangel an Heu gewähren.

 

Preise der Consumtibilien.

 

Die vormonathlichen Preise des Getraides auf den [75v] Märkten der vornehmsten Städte des Departements und das Verhältniß dieser Preise zu denen des benachbarten Auslandes wollen Euer Majestät aus der unter lit: A beigeschloßenen balancirten Designation allergnädigst zu entnehmen geruhen. In der Anlage unter Litt: B werden die Quantitaeten des im Monath Septbr: c. ein- und ausgegangenen Getraides und des exportirten Gemüses designirt.

 

Der Berliner Scheffel Kartoffeln wurde mit 8 bis 12 g. Münz-Courant bezahlt.

 

Cours der Münz-Sorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel.

 

Die holländischen und österreichischen Rand-Dukaten, so wie die Wiener Einlösungs-Scheine, insbesondere aber die Schlesischen Pfandbriefe sind nicht unbedeutend gestiegen. Von jenen Dukaten stehen die holländischen 3 r. 13 g. 7 1/5 pf., und die österreichischen 3 r. 10 g. 4 4/5 pf. Die Wiener Einlösungs-Scheine gelten 72, und von den Schlesischen Pfandbriefen die großen 64 1/5, die kleinen hingegen 66 proCent. In der ersten Hälfte des verfloßenen Monats war bei der schönsten Herbst-Witterung der

 

Gesundheits-Zustand

 

der Menschen so gut, daß nicht einmal die ge-[46r]-wöhnlichen Herbst-Fieber eintraten. In der zweiten aber, wo die Luft einen rauhen Charakter annahm, ward über rheumatische und katarrhalische Zufälle hin und wieder geklagt. Auch kamen bei Kindern die Schafpokken immer noch zum Ausbruch. An keinem Orte unsers Verwaltungs-Bezirks werden Krankheiten unter dem Vieh bemerkt, ausgenommen zu Schwinaren, Wohlauschen Creises, woselbst die Schaafe von der Räude heimgesucht sind. Dieses Uebel ist dahin aus Pohlen eingeschleppt worden, in welchem Lande jetzt daßelbe neben den Pokken herrschend ist. Auch die hiervon uns zugekommene Nachricht haben wir sofort nicht nur die erforderlichen Anstalten zur Verhütung der weitern Verbreitung jener Krankheit im hiesigen Departement angeordnet, sondern auch die Aufmerksamkeit der pohlnischen Praefecturen auf selbige geleitet, und wir dürfen also hoffen, daß sie dießeits nicht weiter um sich greifen werde.

 

Unglücks-Fälle.

 

Vier Einwohner des Departements nahmen sich aus Schwermuth selbst das Leben.

 

Zu Schlabitz, Militsch-Trachenbergschen Creises, ertrank ein Kind in einem Waßer-Graben.

 

[46v] Bei Steudnitz, Goldberg-Haynauschen Creises, ward in dem herrschaftlichen Teiche ein Mann aus den benachbarten Dorfe Goelschau entseelt gefunden.

 

Am 18ten Septbr: c. verlor der Bürger Marse zu Loewenberg sein Haus durch eine in  demselben ausgebrochene Feuersbrunst. Die Entstehungs-Ursache dieses Brandes hat nicht mit Zuverläßigkeit ausgemittelt werden können. In der Nacht vom 14ten auf den 15ten v. M. sind dem Kaufmann Settge zu Sagan durch gewaltsamen Einbruch für einige Hundert Thaler Leinen-Waaren, Garne und Wäsche entwendet worden. Die Thäter waren am Schlusse des Monats noch nicht entdekt.

 

Der Landrath Hirschbergschen Creises hat durch das in demselben aufgestellt gewesene Husaren-Commando am 1ten v. Mts. in Schmiedeberg, Puschvorwerk, und Steinseiffen 9 des Raubens und Falschmünzens im höchsten Grade verdächtig gewesene Personen aufgreifen, und an das Inquisitoriat zu Schweidnitz zur Inquisition abliefern laßen. Bei Visitirung ihrer Wohnungen hat man ein gestohlenes Pferd, eine grosse Qualitaet Leinwand, eine Kiste mit Kleidungs-Stükken und eine Menge von Uhren vorgefunden.

 

Die Untersuchung gegen jene zu einer größern im Wohlauschen Regierungs-Departement ausgebrei-[77r]-teteren Diebes-Bande gehörenden Subjecte wird von dem König. Ober-Landes-Gericht zu Breslau geleitet. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Hirschberger Creise, ist eine bedeutende Abtheilung von Gensd'armes in demselben aufgestellt worden, welche auch dahin gewirkt hat, daß man in den letzten Wochen des abgelaufenen Monats nichts weiter von gewaltsamen Einbrüchen vernommen hat.

 

Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei-Institute

 

sind wir mit Materialien nicht versehen.

 

Communal-Wesen.

 

In dem Militsch-Trachenbergschen Creise wird von Seiten der Güther-Einsaßen die Ablösung ihrer Dienste besonders lebhaft betrieben. Jeder scheint dabei eine andre Ansicht zu haben, und die Einigungen mit den Dominiis sind daher so verschieden, daß viele Jahre verfließen können, ehe darin eine Art von Gleichheit herrschen wird.

 

Der Bau der Quarantaine-Anstalt gegen die Einschleppung der Rinderpest zu Königsdorff an der Grenze des Herzogthums Warschau, ist bis auf einige Kleinigkeiten beendiget.

 

[77v] Patriotische Handlung.

 

Der Pastor Haensel zu Polgsen, Wohlauschen Creises, welcher schon bei andern Gelegenheiten sein Bestreben gemeinnützig zu werden, bethätigt hat, giebt von demselben einen abermaligen Beweis dadurch, daß er auf den allgemeinen Aufruf zur Sammlung von Charpie und Bandagen für die Lazarethe der im Felde stehenden vaterländischen Krieger die Schul-Kinder nach beendigtem nachmittägigen Unterricht eine Stunde mit Charpie-Zupfen beschäftigen läßt, wodurch selbiger bereits mit dahin gewirkt, daß aus dem Wohlauschen Creise schon drei Pakete Charpie, à 39 Pfund ein jedes, nach Tilsit haben abgeschikt werden können. Dem Pastor Haensel ist von uns dafür der gebührende Dank in dem Amtsblatte bezeugt worden. Fast aus sämmtlichen Städten und Creisen des hiesigen Regierungs-Departements sind sehr bedeutende Lieferungen von Charpieen und Bandage-Leinewanden an das Feld-Lazareth zu Tilsit abgegangen. Der

 

Zustand der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse

 

im Monat October c. wird in der unter dem Buchstaben C beigefügten Designation pflichtschuldigst dargestellt. Unter der Rubrik von

 

Grenz-Sachen

 

haben wir allerdevotest anzuzeigen, daß den Bürgern [78r] der Stadt Cottbus durch ausgestreute Brand-Briefe die Einäscherung ihrer Häuser angedroht worden ist.

 

Interessante

 

Militaria

 

sind uns nicht einberichtet worden.

 

Handels-Gegenstände.

 

Obwohl die Preise des Getraides niedrig stehen, so ist doch der Absatz desselben innerhalb der Provinz jetzt, da den zahlreichen Manufactur-Arbeitern aller Erwerb fehlt, und selbige so, wie die ärmere Volks-Classe überhaupt, sich wohlfeiler mit Kartoffeln nähren, bei weitem nicht so stark, als ehedem. Dagegen wird die Ausfuhr des Getraides nach Sachsen und Böhmen ziemlich lebhaft betrieben.

 

Der letzte Wollmarkt in Breslau ist für den grössten Theil derjenigen Guts-Besitzer der Provinz, welche auf demselben ihre Wolle zum Verkauf ausgebothen, sehr schlimm ausgefallen. Die, so am ersten Tage dieses Monaths abzuschließen nicht vermocht, haben fast insgesammt ihre Wolle zurückzuführen, oder dort einzusetzen sich genöthiget gesehen, weil am 2ten und 3ten Tage der Absatz gänzlich gestokt hat.

 

Bei den Zoll-Aemtern unsers Departements wur-[78v]-den im Monat Septbr: c. 763 Stük Schaafe, aber keine Wolle zur Exportation declarirt.

 

Der Debit von schlesischen wollenen Tüchern nach Pohlen hat sich nicht vermindert. Ob von den Tuch-Negotianten unseres Departements auf der letzten Leipziger Meße gute Geschäfte gemacht worden, ist uns noch nicht bekannt. Unsere Leinwand-Kaufleute sind von dieser Meße, wie vorauszusehen war, sehr unzufrieden zurükgekehrt. Indeß werden von selbigen jetzt nicht unbedeutende Quantitaeten Leinwand, besonders von der Mittelart derselben, an pohlnische Juden abgesetzt, welche solche für die Kayserlich Französische Armée in Rußland einkaufen.

 

Aus der unter Lit: D beigeschloßenen Nachweisung wollen Euer Majestät die Quantitaet der in dem Monat October c. bei den Zoll-Aemtern in Hirschberg, Schmiedeberg und Warmbrunn zur Ausfuhr angesagten Leinen Waaren zu ersehen geruhen.

 

In dem gedachten Monat haben sich ausser der erfolgten Ernennung des Major vKehler zum Ober-Brigadier der Gensd'armerie keine

 

Veränderungen bei öffentlichen Behörden

 

im hiesigen Regierungs-Departement ereignet.

 

Haupt-Gegenstände unserer Collegialischen Beschäftigung im Monat October c. waren ausser denjenigen, welche in den allersubmißest beigeschlossenen Nummern 41 bis 44 des zweiten Jahrgangs [79r] unsers Amtsblatts enthalten sind,

 

die Fürsorge für Unterbringung und zwekmässige Beschäftigung der in mehrern Creisen des Departements in gedachtem Monate eingetroffenen Abtheilungen des vaterländischen Gensd'armerie-Corps,

 

die Anordnung von Maaßregeln, um die in den vorhergehenden Monathen besonders im Hirschbergschen Creise durch Räuber-Banden gestörte öffentliche Sicherheit wieder zu befestigen, auch um den Justitz-Behörden bei Verfolgung jener Banden die erforderliche polizeiliche Hülfe angedeihen zu laßen.

 

Die Fortsetzung der kommissarischen Arbeiten zu Erhebung der Vermögens- und Einkommen-Steuer.

 

Unter der Rubrik

 

Dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration

 

haben wir zur Zeit nicht vorzuschlagen.

 

 

Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.

 

[gez.]