3 Liegnitz, 5. April 1814
Zeitungsbericht für März 1814
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16504, Bl. 29r-34v, Anlagen Bl. 35r-39r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum fehlt.
[29r] Liegnitz den 5ten April 1814.
Haupt-Zeitungs-Bericht vom Liegnitzschen Regierungs-Departement für den Monat Merz c.
Euer Majestät wollen den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem uns anvertrauten Landes-Bezirk für den Monat Merz c. in nachstehenden Anzeigen allergnädigst zu empfangen geruhen.
Witterung.
Im Anfange des Monats war die Kälte noch sehr streng. Das Réaumursche Thermometer zeigte den 1ten früh 13 Grad unter Null, welches sein tiefster Stand war. Nachher fanden gelindere Nachtfröste bis zum 24ten statt. Der höchste Stand des Thermometers war den 21ten und 31ten 8 Grad über dem Eispuncte.
Der Wind blies am häufigsten aus Westen, Nord- und Südwesten, zuweilen, jedoch seltener aus Süden, Südosten und Südwesten. Schnee fiel noch den 5ten 6ten und 8ten früh. Vom 11ten an waren die Morgen meistens neblicht. Die furchtbare Schnee-Maße, von welcher die Felder bedeckt waren, ist allmählig geschmolzen, und dadurch die Besorgniß großen Waßers behoben worden. Die Wintersaaten stehen an den meisten Orten [29v] hoffnungsvoll. Möchte nur bald mit Bestellung der Sommersaat vorgeschritten werden können, und der Mangel an dem dazu erforderlichen Zugvieh und Saamen-Getraide in den durch den Krieg besonders beschädigten Gegenden des Departements nicht so groß seyn.
Preise der Consumtibilen.
Die vormonatlichen Preise des Getreides auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements und das Verhältniß dieser Preise zu denen des benachbarten Auslandes werden in der unter litt. A allerdevotest beigeschloßenen Designation pflichtschuldigst nachgewiesen.
Die Quantitaet des in dem Zeitraum vom December 1813 bis Ende Februar d. J. aus- und eingegangenen Getraides und Gemüses verzeichnet die Beilage unter Litt: B. Der Berliner Scheffel Kartoffeln wurde mit 8 bis 16 gg. Münz-Courant bezahlt.
Der
Cours der Münz-Sorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel,
war veränderlich. Die Tresorscheine galten 67 bis 70, und von den Schlesischen Pfandbriefen die großen 85 2/3, die kleinen hingegen 88 Procent.
Die
Krankheiten
[30r] von denen die Einwohner des Departements heimgesucht wurden, bestanden in Diarrhoen, Koliken und katarrhalischen und rheumatischen Uebeln, desgleichen in der Gelbsucht. Unter den Kindern brachen in mehrern Creisen, am stärksten im Militsch-Trachenbergschen, Hirschbergschen und Loewenberg-Bunzlauschen die natürlichen Blattern aus.
Die zu Verhütung der weitern Verbreitung dieser Seuche ergriffenen Maaßregeln zeigen bereits guten Erfolg.
Die Nervenfieber-Epidemie läßt überall nach, nur nicht im Glogauschen Creise, wo die Bloquade der Vestung derselben Vorschub leistet. Die Rinderpest wird nur noch in dem herrschaftlichen Vorwerk des Dorfes Groß Tschunkawe, Militsch-Trachenbergschen Creises, angetroffen, und ist ihrem Ende nahe.
Wir glauben, daß die getroffenen polizeilichen Vorkehrungen wohlthätig beigetragen haben, das Aufhören dieses Uebels zu fördern.
Bei den Schaaf-Heerden des Departements sterben viele Lämmer, weil die Mütter keine Milch haben. Auch gehen die 1 und 2 jährigen Schaafe besonders in den an der Oder belegenen Dörfern häufig ein. Grund dieses Unglücks ist unstreitig das beschlämmte Futter, [30v] welches man dem Schaafvieh vorzuwerfen genötigt gewesen ist.
Unglücksfälle.
Zwei Personen griffen aus Schwermuth durch Selbstmord dem Verhängniß vor.
Ein Jüngling zu Flinsberg im Loewenberg-Bunzlauschen Creise verlohr dadurch sein Leben, daß bei Gelegenheit einer Holzfuhre ihm die große Pulsader des linken Oberschenkels durch einen Baum-Ast zerrißen wurde.
Am 4ten v. M. brach durch bis jetzt noch unbekannte Veranlaßung zu Rützen, Wohlauschen Creises, Feuer aus, welches 4 der dasigen Grund-Herrschaft zugehörige Kolonisten-Häuser verzehrte.
Zu Gotschdorff, Hirschbergschen Creises, wurde ein Bauerguth, in Lauterseiffen, Loewenbergschen Creises, das Gehöft des Dreschgärtners Müller, und zu Kontopp im Grünbergschen, die Wohngebäude des Bauers Dimke, und des Butterhändlers Kade, eingeäschert. Die Entstehungs-Ursachen dieser traurigen Ereigniße sind nicht auszumitteln gewesen.
In dem Monat Merz c. sind in dem hiesigen Regierungs-Bezirk
Polizei-Institute
nicht eingegangen. Dagegen ist in dem Goldberg-Haynauer Creise seit dem 1ten Merz c. die Einrichtung getroffen, daß diejenigen Vaterlands-[31r]-Vertheidiger, welche in dem gegenwärtigen Kriege Krüppel geworden, dadurch unterstützt werden, daß sie gegen Verrichtung von Ordnung- und solchen Diensten, die ihren Kräften angemeßen sind, freie Wohnung, Verpflegung und ein monathliches Geld-Quantum nebst der erforderlichen Bekleidung erhalten. Auch sollen in eben diesem Kreise andere Militairs nach Maasgabe ihrer persönlichen Verhältniße baare Geld-Unterstützungen aus dem Creis-Communal-Fonds gewährt werden.
Verdienstliche Handlungen.
Als im vorigen Jahr die Stadt Freystadt von den Franzosen besetzt wurde, befanden sich in dem Gebäude des ehemahligen Karmeliter-Klosters daselbst 170 komplette Landwehr-Montirungen, welche die Landwehr-Organisations-Commission des Freystaedtschen Creises in daßelbe als den schicklichsten Aufbewahrungsort hatte zusammen bringen laßen. Der dortige Salz-Inspector Claussen, ein Mitglied der genannten Commission, befürchtete, daß jenes Montirungs-Depot an die Franzosen verrathen werden möchte, und suchte daher in einer Nacht deßen Rettung beinahe unter den Augen der französischen Wache zu bewerkstelligen. Mit Beihülfe des [31v] Schneidermeisters Martin und des Rathsdieners Haenelt gelang es ihm, sämmtliche Montirungs-Stücke bei Seite zu bringen, und sie den Nachspürungen des französischen Intendanten, welcher zwei Tage darauf das ganze Kloster durchsuchen ließ, zu entziehen.
Außerdem haben wir von dem Claussen noch folgende lobenswerthe Handlungen anzuführen: Während der feindlichen Occupation war derselbe unabläßig bemüht, sich von dem Zustande und der Stärke des Feindes, besonders des Sebastianischen Corps, auf das genaueste zu unterrichten, und die zuverläßigsten Notizen davon durch den Stadtrichter Schiller zu Priebus in Euer Majestät Hauptquartier zu liefern.
Die von dem Rathmann Schulz zu Freystadt gesammelten freiwilligen Beiträge an Victualien aller Art für Allerhöchstdero Armée, führte der p Claussen im Septbr: v. J. persönlich auf 28 Wagen in das Hauptquartier des Herrn General-Feldmarschalls von Blücher nach Bautzen.
Ohne allen Anspruch auf Remuneration und ohne Rücksicht auf seine schwächlichen Gesundheits-Umstände und zahlreiche Familie, übernahm derselbe auch die Polizei- und [32r] Oeconomie-Direction bei dem im December v. J. zu Freystadt etablirten Militair-Lazareth, und zog sich dadurch ein höchst gefährliches Nervenfieber zu, welchem er jedoch jetzt zu genesen anfängt.
Euer Majestät stellen wir ehrfurchtsvoll anheim, ob Allerhöchstdieselben diesen verdienten Mann nicht mit einer bleibenden Auszeichnung zu begnadigen geruhen wollen.
Den
Zustand der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse
im Monat Merz c. stellt diejenige Designation dar, welche Euer Majestät wir hierneben unter Litt: C allersubmißest überreichen.
Unter der Rubricke von
Grenz-Sachen
und von
Militaribus
sind uns keine intereßante Nachrichten aus dem Departement zugekommen.
Handels-Gegenstände.
Im Allgemeinen gewinnt der Verkehr, vorzüglich aber der Tuchhandel neues Leben, welches sich schon kräftiger zeigen würde, wenn den Tuch-Fabriquen nicht in Folge des Krieges so viele Hände [32v] fehlten. Auch nehmen die Bestellungen aus dem Auslande auf schlesische Leinwand zu. Die Garn-Preise sind im verfloßenen Monat gestiegen, und an Zufuhr des Garnes auf die Märkte ist so wenig Mangel, als an Käufern. Inzwischen ist hauptsächlich nur nach der gröbern Sorte von Leinwand und Schleier Begehr, und es wird derselbe in ungewöhnlich großen Quantitaeten zu Hemden und Unterfutter für die Armen aufgekauft.
Die Quantitaet der im Monat Merz c. bei den Zoll-Aemtern in Hirschberg, Schmiedeberg und Greiffenberg zur Ausfuhr declarirten Leinen Waaren wollen Euer Majestät aus der unter Litt: D beigefügten Designation allergnädigst zu entnehmen geruhen.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden im Departement
haben sich nicht ereignet.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im abgewichenen Monat waren:
1.) die Zusammenstellungen der verschiedenen Leistungen des hiesigen Regierungs-Departements in dem Jahre des Krieges gegen Rußland, sowie in dem des Kampfes gegen Frankreich, Behufs deren Gebrauchs bei Ausgleichung dieser [33r] Leistungen, bei der von Euer Majestät Allergnädigst angeordneten Immediat-Commission, sowie bei der Verhandlung mit den zu diesem Geschäft berufenen Repraesentanten der Monarchie.
2.) die fortgesetzte Sorge denjenigen Grund-Eigenthümern des Departements, welche als Bewohner der Gegenden, in denen die Befreiung Schlesiens vom Feinde erkämpft worden, ihre vorjährige Erndte verlohren, und nicht die Mittel haben, das zur Bestellung der Sommersaat erforderliche Getraide sich zu kaufen, den nothdürftigsten Bedarf zu verschaffen. Wie wir in unserm Zeitungs-Bericht für den Monat Februar c. allerunterthänigst bemerkt, ist dieser Bedarf in den durch den Krieg vorzüglich beschädigten vier Kreisen von Liegnitz, Jauer, Loewenberg und Goldberg ausgemittelt worden zu
29,754 Scheffel Gerste
59,693 [Scheffel] Hafer und
3,932 [Scheffel] Erbsen.
Zu Bestreitung dieses Bedarfs sind zur Zeit vorhanden:
a) durch freiwillige Beiträge der Oberschlesischen Creise:
[33v] Gerste Hafer Erbsen
9,746 Schf:
b) durch dergleichen aus
Niederschlesien 285 Schf: 1726 [Schf:]
c.) durch Euer Majestät Gnade aus
den Magazin-Beständen zu Schweidnitz
4800 [Schf.] 24000 [Schf.]
d) als Vorschuß sind von dem Militair-
Gouvernement von Schlesien bewilligt
worden ................... 2618 [Schf.] 872 Schf.
Summa der vorhandenen Unterstützungen
7703 Schf: 34,872 Schf: 872 Schf:
Es fehlen daher
immer noch ........... 22,051 Schf: 24,821 Schf: 3060 Schf.,
zur Sommersaat.
Diese Quanta den Kriegsbeschädigten zu verschaffen, vermögen wir ohne Zutritt einer besondern neuen huldreichen Unterstützung eben so wenig, als wir denselben die Aufbringung der Mittel zur Anschaffung des nothwendigen Zug-Viehes zu erleichtern im Stande sind. Der nothwendige Bedarf an letzterm ist allein im Goldberg- und Loewenbergschen Kreise auf 3821 Stück Ochsen angegeben, welche im Durchschnitt zu 40 r. das Stück angenommen eine Geld-Summe von 152,840 rttler erfordern. Zur Unterstützung der aller Mittel zu dieser [34r] Anschaffung entblössten Landleute sind aber zur Zeit durch freiwillige Gaben nur allein eingegangen
3,842 rtler:
Die Kriegsbeschädigten wagen auch in dieser Hinsicht, ihre Blicke auf Eure Majestät zu richten, insofern der Zustand der Staats-Cassen eine extraordinaire Hülfe für sie gestattet.
3.) Die Vorlegung von Vorschlägen an die höhern Staats-Behörden zur Unterstützung auch der Bewohner derjenigen Städte, welche als Kriegs-Schauplatz im Departement am meisten gelitten haben, nahmentlich derer von Loewenberg, Bunzlau, Lähn und Glogau, welche letztere Stadt hoffentlich bald von den grossen Drangsalen befreit werden wird, unter denen ihre Einwohner erliegen.
Zur schleunigen Hülfleistung an viele Hundert aus dasiger Stadt vertriebene arme Einwohner haben wir alsbald Anstalten treffen laßen.
Außer den vorangezeigten Objecten sind Vorwurf unserer Beschäftigung diejenigen Gegenstände gewesen, welche die allerunterthänigst beigeschloßenen Nummern 11 bis 14 des vierten Jahrganges unsers Amtsblatts [34v] enthalten.
Unter der Rubrick:
dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration
glauben wir uns der Vorschläge zur Zeit noch enthalten zu müßen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]