6 Liegnitz, 6. Juli 1812
Zeitungsbericht für Juni 1812
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16502, Bl. 38r-41r, Anlagen Bl. 42r-46r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum fehlt.
[38r] Liegnitz den 6ten Julii 1812.
Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement der Liegnitzschen Regierung für den Monath Junii c.
Euer Majestät verfehlen wir nicht den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem uns anvertrauten Landes-Bezirk für den Monath Juny c. in nachstehenden Anzeigen allerunterthänigst zu erstatten. Die
Witterung
war im Ganzen fruchtbar. Bis zum 9ten fand große Trokenheit statt. Vom 10ten an regnete es zuweilen, doch wenig bis zum 27ten. Erst mit dem 28ten erfolgte reichlicher Regen. Der Wind blies gewöhnlich aus Westen und Nordwesten. Der höchste Stand des Reaumurschen Thermometers war in der Gegend von Liegnitz den 20ten und 26ten Mittags 21 Grad, und der niedrigste den 10ten Abends und den 11ten früh 6 Grad über dem Frostpunkt. Der Landmann verspricht sich eine ziemlich ergiebige Erndte, obgleich die große Dürre im Monath May, und in den ersten Tagen des Juny der Winterung sowohl als der Sommerung Schaden zugefügt hat. Sehr kärglich wird dagegen in diesem Jahr der Obstgewinn ausfallen, weil die in ungewöhnlicher Menge vorhandenen Raupen an den Bäumen große Verwüstungen angerichtet. Auf den Feldern mehrerer Dörfer im Schwiebusschen Creise haben sich Schaaren von Heuschrekken sehen laßen. Zu deren Vertilgung sind von dem Bezirks-Landrath bereits die erforderlichen [38v] Anstalten vorgekehrt worden.
Preise der Consumtibilien.
Welche Preise das Getraide im verfloßenen Monath auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements gehabt und wie diese Preise sich zu denen des benachbarten Auslandes verhalten, wollen Euer Majestät aus der unter dem Buchstaben A beigeschloßenen balancirten Designation huldreich zu entnehmen geruhen.
Die Anlage unter litt: B verzeichnet die Quantitaet des im Monath May c. ein- und ausgegangenen Getraides und Gemüses.
Der Berliner Scheffel Kartoffeln wurde mit 12 bis 18 gg. Münz-Courant bezahlt.
Cours der Münz-Sorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel.
Von den schlesischen Pfandbriefen sind die großen von 60 1/2 pro Cent auf 57 und die kleinen von 66 auf 59 proCent herabgefallen. Auch der Courswerth anderer Staats-Papiere ist bedeutend gesunken. Der täglich zunehmende Geldmangel ist der Grund dieses Ereignißes. Der
Gesundheits-Zustand
der Menschen war in der ersten Hälfte des abgewichenen Monats vorzüglich gut. In der zweiten Hälfte aber, wo eine naßkalte Witterung herrschte, nahmen Katarrhal-Krankheiten, rheumatische Zufälle, und Brust-Affectionen überhand. Die Schaafblattern kamen hin und wieder zum Vorschein, und erschütterten bei manchen Unerfahrnen, wenn er vaccinirte Kinder von ihnen ergriffen sah, den Glauben an die schützende Kraft der Kuh-[39r]-pokken gegen die natürlichen Menschenblattern. Die im Schwiebusschen Creise ausgebrochene Typhus-Epidemie läßt auf die gemachten Vorkehrungen jetzt so sehr nach, daß deren baldiges gänzliches Aufhören gehoft werden darf. Von Thier-Krankheiten sind uns keine Anzeigen zugekommen.
Unglücks-Fälle.
Vier Personen griffen aus Schwermuth durch Selbstmord dem Verhängniß vor.
Zu Eckersdorff im Loewenbergschen Creise, ertrank der älteste Sohn des Dreschgärtners Berndt in einer Düngergrube.
Auf gleiche Art fand der dreijährige Sohn des Bauers Menzel zu Groß-Neudorff, Jauerschen Creises, in einem Brunnen den Tod.
Die vierjährige Tochter des Waßermüllers Werner zu Sprottischdorff, Sprottauschen Creises, verunglükte im Sprotta-Fluß.
Der Freigärtner Baumgart zu Domsen, Wohlauschen Creises, stürzte von einem Kieferbaum, auf welchem er einen Ast sich abhauen wollte, und starb eine Stunde nach diesem harten Fall.
Am 16ten v. M. wurde ein Mädchen von 1 1/2 Jahren, deßen Vater der Aschhändler Hütter zu Schlaube, im Wohlauschen Creise, war, in diesem Dorfe, von dem Bauer Müller aus Schaetz, deßelben Creises, aus Unvorsichtigkeit überfahren, und dabei am Kopfe dergestalt beschädigt, daß es einige Stunden nachher seinen Geist aufgeben musste. Der Müller befindet sich bereits in Criminal-Untersuchung.
Am 30ten May d. J. ging das Gehöft des Häuslers Rehnert zu Haasel, Jauerschen Creises, in Rauch auf.
[39v] Zu Poischwitz, deßelben Creises, kam bei dem Bauer Gnieser Feuer aus, welches bei der großen Trokkenheit, die damals statt fand, und von einem starken Winde begünstiget, so sehr um sich grif, daß in kurzer Zeit drei Bauerhöfe und fünf Häusler-Stellen ein Raub der Flammen wurden.
Den Entstehungs-Ursachen dieses letzten Brandes ist dahin ausgemittelt worden, daß eine boshafte Anzündung dabei zum Grunde gelegen hat.
Durch zündende Wetterstrahlen wurden eine Dreschgärtner-Stelle zu Heinersdorff, im Liegnitzschen, das Wohngebäude des Bauers Hayn zu Thiemendorff, im Steinau-Raudtenschen, und die Wohnung nebst Wirtschafts-Gebäuden des Gärtners Günther zu Mittel Langneundorff, im Loewenbergschen Creise, in Feuer gesetzt und eingeäschert.
In der Nacht vom 4ten auf den 5ten v. Mts. sind bei dem Gärtner Schindler zu Schiefer, im Loewenbergschen Creise, bis ietzt noch unbekannte Räuber eingebrochen, welche nicht nur Denselben gemißhandelt, sondern ihm auch eine Summe von 500 r: baaren Geldes, imgleichen Kleidungs-Stükke genommen haben.
Am 10ten v. Mts. früh ist der Häußler Peschel zu Tammendorff, Goldberg-Haynauschen Creises, in seinem Bette erwürgt gefunden worden. Bei der von dem dasigen Gerichts-Amt darauf sogleich veranstalteten Untersuchung hat sich ergeben, daß der Hausmann des Erdroßelten, ein gewißer Hartrampf, diesem seinen Wirth das Leben genommen habe. Der Mörder ist sofort arrtirt, und in das Stokhaus zu Haynau Behufs der wider ihn zu veranlaßenden Criminal-Untersuchung abgeliefert worden. [40r] Heftige Erbitterung gegen den Peschel soll den Hartrampf zu jenem Verbrechen gereitzt haben.
Für die Rubrique
Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei-Institute
liegen uns keine Materialien vor.
Durch eine Verfügung des Departements in Euer Majestät Finanz-Ministerio für die Staats-Cassen vom 18ten Junii c. ist uns ein ausführliches Schema für die Darstellung des
Zustandes
der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse in den monathlichen Zeitungs-Berichten vorgeschrieben worden. Da indeß Euer Majestät wir beschwerlich zu fallen besorgen, wenn wir die Details jenes Cassen-Zustandes nach dem bemerkten Schema in den Zeitungs-Bericht selbst aufnehmen, so erachten wir es für zwekmäßiger, daß diese Nachrichten in eine besondere Designation gefaßt und der Zeitungs-Relation beigefügt werden. Eine solche Nachweisung für den Monath Juny c. verfehlen wir nicht Euer Majestät in dem Anschluß sub Lit: C allerdevotest zu überreichen.
Unter den Rubriquen von
Grenz-Sachen, und
von Militaribus
sind uns keine Nachrichten zugekommen, welche für Euer Majestät Intereße haben könnten.
Commercium.
Die unglükliche Stokkung jeder Art von Handels-Verkehr dauert leider noch immer fort, und nur die Hoffnung besserer Zeiten vermag den Kaufmann, Künstler, Fabricanten und Profeßionisten aufrecht zu erhalten.
[40v] Aus der unter lit: D beigelegten Designation wollen Euer Majestät die Quantitaet der im Monath Juny c. bei den Zoll-Aemtern in Hirschberg, Schmiedeberg, Greiffenberg und Warmbrunn zur Ausfuhr angesagten Leinen Waaren zu entnehmen geruhen. 554 Stük Schaafe und 88 Stein 15 Pfund Wolle, Berliner Gewicht, wurden bei den Zoll-Aemtern unsers Verwaltungs-Bezirks zur Exportation declarirt.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden,
in dem Departement unserer Administration haben sich im vergangenen Monat nicht ereignet.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung in eben gedachtem Monat waren:
die Versuche zur Veräußerung der Vorwerke von vier pachtlos gewordenen Domainen-Aemtern. Diese Versuche sind bei den Domainen Neusalz und Lueben gelungen, und es ist die Uebergabe an die Erwerber erfolgt. Dagegen sind auf die Vorwerke der Aemter Wohlau und Parchwitz keine oder doch nicht annehmliche Gebothe erklärt worden, daher anderweite Verhandlungen zu deren Ausbringung in Hauptpacht angeknüpft werden müßen;
Die Angelegenheit wegen Regulirung der Beiträge zu den Parochial-Baukosten von Seiten der Acquirenten der Domainen-Aemter und geistlichen Güther;
Die an das Departement für den Cultus und öffentlichen Unterricht in Euer Majestät Ministerio des Innern abgegebenen Vorschläge zur Verbeßerung des kirchlichen Synodal-Wesens und der Lithurgie bei den protestantischen Gemeinden;
Die Bearbeitung der Angelegenheiten wegen Regulirung der Vermögens- und Einkommen-Steuer nach den Vorschriften [41r] des Edicts vom 24ten May c. und der dazu gehörigen Instruction von Seiten der Mitglieder des hiesigen Regierungs-Collegii, welche auch zugleich Mitglieder der für diese Steuer-Regulirung gebildeten Departements-Commission sind;
Die Ausmittelung, wieviel Pferde, Wagen, etc. von den fremden Truppen aus dem Departement mitgenommen worden, da die Acker-Kultur deßelben, mithin seine Steuer-Fähigkeit, in der größten Gefahr ist, wenn denen, welche ihre Pferde verloren haben, nicht bald baarer Ersatz geschaft werden kann, um sich anderes Angespann, welches täglich seltener und theurer wird, zu kaufen.
Die Constatirung, wieviel das Departement durch Lieferungen, Vorspann-Gestellungen, und sonstige Leistungen, an fremde Truppen tragen müßen, damit Praegravationen möglichst ausgeglichen, und die Departements-Einsaßen in die Lage gesetzt werden, bei Entrichtung des 2ten und 3ten Termins der Vermögens- und Einkommensteuer ihre Ansprüche geltend machen zu können.
Außer diesen Gegenständen sind Vorwurf unsrer Beschäftigung diejenigen Objecte gewesen, welche die allerunterthänigst beigeschloßenen Nummern 22 bis 27 des 2ten Jahrgangs unseres Amtsblattes enthalten.
Unter der Rubrique
dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]