4 Liegnitz, 6. Mai 1814
Zeitungsbericht für April 1814
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16504, Bl. 40r-46r, Anlagen Bl. 47r-51r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum fehlt.
[40r] Liegnitz den 6ten May 1814.
Haupt-Zeitungs-Bericht vom Liegnitzschen Regierungs-Departement für den Monat April c.
Euer Majestät verfehlen wir nicht den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Bezirk unserer Verwaltung für den Monat April c. in nachstehenden Anzeigen allerunterthänigst zu erstatten:
Die
Witterung
war fast den ganzen Monat hindurch sehr mild, vom 12ten bis zum 25ten sogar bedeutend warm. Den 20ten und 21ten zeigte das Réaumursche Thermometer in den Mittags-Stunden im Schatten 19 Grad über Null. Dies war sein höchster Stand. Gegen den Schluß des Monats trat kalte Witterung ein, und es erfolgten starke Nachtfröste. Am 29ten früh wies das Thermometer 2 1/2 Grad unter dem Frostpunkte, welches sein niedrigster Stand war. Schnee fiel noch den 28ten. Uebrigens waren die Tage meist heiter. Der Wind wehete Anfangs aus Süden und Süd-Osten; nachher war die herrschende Richtung deßelben Norden, Nord-Osten und Nord-Westen.
Die Winter-Saaten stehen an den meisten [40v] Orten sehr dünn. Ein großer Theil derselben muß sogar jetzt, da sie durch übermäßige Winter-Feuchtigkeit in Fäulniß gesetzt worden, ausgeackert werden. Auch haben die an der Oder belegenen Saat-Gefilde durch Ueberschwemmung nicht wenig gelitten. Der Bestellung der Sommersaat war die bisherige warme und trockene Witterung ungemein günstig. Nur ist sehr zu bedauern, daß der Mangel an Saamen-Getraide und an Zugvieh, besonders in den durch den Krieg am meisten beschädigten Gegenden des Departements, so groß ist.
Preise der Consumtibilien.
Welche Preise das Getraide im verfloßenen Monat auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements gehabt, und wie diese Preise sich zu den in Böhmen bestandenen verhalten, wollen Euer Majestät aus der unter Litt: A allerdevotest beigeschloßenen Designation huldreich zu entnehmen geruhen.
Die Beilage unter Litt: B verzeichnet die Quantitaet des im Monat Maerz c. ein- und ausgegangenen Getreides und Gemüses.
Der Berliner Scheffel Kartoffeln galt 8 bis 20 gg: Münz-Courant. Der
Cours der Münz-Sorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel
[41r] war so, wie im Monat Mart: c., sehr veränderlich. Die Tresorscheine standen 70 proCent, und von den Schlesischen Pfandbriefen galten die großen 86 1/4, die kleinen hingegen 88 1/2 pro Cent. Die
Sterblichkeit
war unter den Menschen nicht groß. Aber sie wurden häufig von katarrhalischen Krankheiten des Halses und der Luftröhre, imgleichen von Diarrhöen und Koliken heimgesucht.
Der Typhus läßt überall, und selbst im Glogauschen und Loewenberg-Bunzlauschen Creise, wo derselbe am heftigsten gewüthet hatte, nach. In mehrern Militair-Spitälern zeigte sich im Monat Merz c. der Brand bei vielen Nerven-Fieberkranken. Inzwischen hat auch dieses Uebel bereits wieder aufgehört. Im Loewenberg-Bunzlauschen Kreise sind mehrere Personen von hydrophobischen Katzen und Hunden gebißen worden. Doch ist bei selbigen nach Anwendung der erforderlichen äußern und innern Mittel zur Zeit noch kein Ausbruch der Wuth erfolgt.
Die natürlichen Menschen-Pocken greifen in mehrern Kreisen des Departements jetzt noch immer um sich, weil wegen des Mangels an Aerzten und Chirurgen die Vaccination nicht [41v] schnell genug und nicht an jedem von jenem Uebel ergriffenen Orte hat vorgenommen werden können.
Von der Rindviehpest ist keine Spur mehr vorhanden.
Die Schaafe der Ackerbesitzenden Bürgerschaft zu Freyhan leiden an der Räude-Krankheit.
Unglücks-Fälle.
Eine Person gab sich aus Schwermuth selbst den Tod.
Am 29ten Merz c. ertrank die dreijährige Tochter des Häuslers Wolff zu Flinsberg im Queis-Fluß.
Am 20ten v. M. verlor die fünfjährige Tochter des Innliegers Roth zu Tscheschen, Wohlauschen Creises, in dem Brunnen auf dem herrschaftlichen Vorwerk daselbst das Leben.
Eben so verunglückte die einzige Tochter des Gärtners Schindler zu Berthelsdorff, Hirschbergschen Kreises, in der angeschwollenen Dorfbach.
Als der Gesell des Schornsteinfegers Wucherpfennig zu Lueben die Reinigung des Schornsteins der herrschaftlichen Brandwein-Küche zu Braunau verrichtete, ward derselbe von dem in Menge herabgefallenen und durch das im Ofen der Brandweinblase befindliche Feuer entzündeten Ruß am ganzen Körper dergestalt verbrandt, daß [42r] er 24 Stunden nachher unter den fürchterlichsten Schmerzen den Geist aufgeben mußte.
In hiesiger Stadt wurde ein Kind des Schuhmachers Gephard von dem Bäcker Neumann überfahren. Derselbe ist, da das Policey-Directorium ihn wegen des Schnellfahrens schon einigemal gewarnt, zu Bezahlung der Kur-Kosten dieses bereits in der Beßerung sich befindenden Kindes verurtheilt, und außerdem in eine Polizei-Strafe von 5 r: genommen worden.
Am 1ten April c. entstand durch bis jetzt noch unbekannte Veranlaßung bei dem Bauer Sagawe zu Queissen, Steinauschen Creises, ein Brand, in welchem nicht nur deßen ganzes Gehöft, sondern auch noch sechs andere Bauerhöfe und eine Freihäusler-Stelle eingeäschert wurden.
In Labschütz, Militsch-Trachenbergschen Creises, wurde das Gesindehaus und die Amtmanns-Wohnung auf dem herrschaftlichen Hofe durch ein Feuer vernichtet, welches in einem hölzernen Rauchfang ausgebrochen war.
Zu Hertwigswaldau, Jauerschen Creises, fuhr am 20ten v. M. in eine Gärtnerstelle ein Wetterstrahl, welcher dieselbe nebst einem benachbarten Hause in Flammen setzte, auch eine Innliegerin tödtete.
[42v] Am 21ten v. M. brandte im Loewenberg-Bunzlauschen Kreise zu Deutmannsdorff ein Haus, und zu Ober-Sirgwitz drei Häuslerstellen ab. Die Entstehungs-Ursachen dieser traurigen Ereigniße sind noch nicht ausgemittelt.
In dem Glogauschen Stadt-Dorfe Rauschwitz ward durch eine Pulver-Explosion, veranlaßt durch unvorsichtiges Gebahren eines zum Glogauer Bloquade-Corps gehörigen Soldaten mit seiner Munition, eine Feuersbrunst verursacht, durch welche nicht nur 5 Bauer-Güther, 3 Gärtner-Stellen, eine Waßermühle und ein Schenkhaus in Asche verwandelt wurden., sondern auch 8 Soldaten das Leben verlohren. Zugleich ist den Besitzern jener Bauer-Nahrungen eine Menge Schaaf- und Rindvieh und alles Saamen-Getraide verbrandt.
In Buchwald, Goldberg-Haynauschen Creises, wurde dem Fischer Wengler zur Nachtzeit durch gewaltsamen Einbruch eine bedeutende Anzahl Kleider, Wäsche und dergleichen entwendet.
Auch sind in mehrern Kirchen unsers Departements die Gottes-Kasten erbrochen und bestohlen worden. Die Thäter von diesen Diebstählen hat man bis jetzt noch nicht entdekt.
In dem Monat April c. sind in dem hiesigen Regierungs-Bezirk
[43r] Polizei-Institute
weder entstanden noch eingegangen.
Patriotische Handlungen.
Ein Bürger hiesiger Stadt, der nicht genannt sein will, hat auf den Altar des Vaterlandes die Summe von 50 Schild-Louisd'or niedergelegt, und solche demjenigen unbemittelten Eingebohrnen Euer Majestät Monarchie als eine Unterstützung zugedacht, welcher als freiwilliger Jäger dem Aufruf zur Vaterlands-Vertheidigung gefolgt, und durch Verstümmelung im gegenwärtigen Kriege zum Betriebe seines erlernten Gewerbes untauglich geworden ist.
Eben so hat der Kaufmann Neumann zu Glogau bei Gelegenheit der Feier, welche daselbst wegen der am 17ten v. M. erfolgten Besetzung der dortigen Stadt und Vestung von vaterländischen Truppen an gedachtem Tage statt gefunden, zum Besten verwundeter und kranker vaterländischer Krieger die Summe von 15 Stück Napoelonsd'or gegeben, welche dem Haupt-Lazareth des vormaligen Bloquade-Corps zu Kloster Leubus zur Erquikkung der Kranken überwiesen worden sind.
Der
[43v] Zustand der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse
im letzt abgewichenen Monat stellt diejenige Designation dar, welche Euer Majestät wir hierneben unter Litt: C allersubmissest überreichen.
Für die Rubriken von
Grenzsachen und
von Militaribus
haben uns keine interessante Nachrichten aus dem Departement erhalten.
Handels-Gegenstände.
Die WiederEinnahme der Vestung Glogau und die dadurch hergestellte Freiheit der Oder-Schiffahrt wird auf den Handel den wohlthätigsten Einfluß haben. Die dort so lange Zeit verhaftet gewesenen Schiffe sind bereits größtentheils abgesegelt. Aus dem Gebirge sind ansehnliche Sendungen von weißer Leinwand nach Triest, Danzig, Gallizien und vorzüglich nach Leipzig abgegangen, so wie auch bunte Leinwand und Damast-Waaren nach Brody, Berlin und Königsberg verschickt worden. Ausserdem sind mehrere Handlungs-Häuser in Hirschberg bereits so glücklich gewesen, bedeutende auswärtige Leinen-Waaren-Läger in's Geld zu setzen.
Die Quantitaet der im Monat April c. bei [44r] den Zoll-Aemtern in Schmiedeberg und Greiffenberg zur Ausfuhr declarirten Leinen Waaren wollen Euer Majestät aus der unter Litt: D beigeschloßenen Designation huldreich zu entnehmen geruhen.
Die Lage des Tuchhandels ist noch beßer, als die des Leinwand-Negotii. Besonders gewinnt die Ruffersche Tuch-Fabrique hierselbst immer mehr an Umfang. Im verfloßenen Monat hat dieselbe 36 Stück mittelfeine Tücher im Werth von 1800 r: gefertiget, und 197 Stük feine und mittelfeine Tücher, deren Preis-Summe 8570 r: beträgt, nach Glogau, Bremen, Königsberg, Memel und Elbing versendet. Der Unternehmer dieser Fabrique ist nunmehr auch dazu übergegangen, einen vollständigen Apparat von zwei Schrubel und sechs Spinn-Maschinen auf Schaaf-Wolle zu Reichenberg in Böhmen gefertiget, in seiner Fabrique aufzustellen.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden im Departement
haben sich nicht ereignet.
Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im abgewichenen Monat waren
1tens diejenigen Objecte, welche die allerunterthä-[44v]-nigst beigeschloßenen Nummern 15 bis 18 des vierten Jahrganges unsers Amtsblatts enthalten.
2tens musste das glükliche Ereigniß, daß die Stadt und Vestung Glogau nach siebenjähriger feindlicher Besetzung ihre Thore Euer Majestät siegreichen Truppen am 17ten April c. geöffnet hat, unsere ganze Aufmerksamkeit feßeln, um uns zuförderst von dem Zustande dieser unserer Verwaltung beinahe fremd gewordenen Stadt, und von den Mitteln, ihren, durch eine Schule harter Prüfungen gegangenen Einwohner wieder aufzuhalten, zu unterrichten. Daß die Ansprüche der letztern mannigfach sind, wird Euer Majestät nicht befremden, wenn wir ehrerbietigst bemerken, daß nach der vorläufigen Aufnahme in der Stadt 77 Häuser und 6 dem Staat gehörige große Gebäude völlig demolirt, 83 Häuser und öffentliche Gebäude zerstört, in den nächsten Umgebungen von Glogau drei sonst wohlhabende Dörfer völlig verschwunden, und vier andere durch Feuersbrünste größtentheils eingeäschert sind. Für diese vom Feinde angerichtete Schäden, so wie an Geldern, die derselbe von der Bürgerschaft zu Glogau und in den nächsten Umgebungen dieser Stadt [45r] zu erpreßen sich erlaubt, sind von dem Civil-Commissario zur Uebernahme dortiger Vestung, Geheime Regierungs-Rat von Unruh, liquidirt, auch von dem Chef der abgezogenen französischen Besatzung, General La Plane, anerkannt worden.
a) als baar von der Bürgerschaft erhobene Summe: 296,989 Frans 20 Centimes oder ............................... 77,959 r. 16 g.
b) für Lieferungen von Wein, Pferden und Bekleidungs-Gegenständen 160,926 Francs 60 Centimes oder ................................................. 42243 [r.] 5 [g.] 7 pf.
c) für die in der Stadt demolirten Gebäude, von denen das Holz zur Feuerung gebraucht worden ist: 636,777 Francs oder 167,153 [r.] 23 [g.] 1.
d) für allerlei erpreßte Gegenstände und baare Zahlungen aus den nächsten Umgebungen von Glogau seit dem Ausbruche der
Feindseligkeiten ............................... 317,785 [r.] 14 [g.] 10.
e) an verschiedenen Forderungen der Bürger und Sanitaets-Beamten wegen gefertigter Arbeiten und geleisteter Hülfe auf Anordnung der französischen Behörden ... 15,057 [r.] 21 [g.] 3.
in Summa ......................................... 620,200 r. 8 g. 9 pf.
Die Hoffnungen der Bürger zu Glogau und der Einwohner in den nächsten Umgebungen dieser Stadt ist auf die höchst wahrscheinlich in Frankreich zu erhebende Kriegs-Contribution, als Mittel [45v] zu Realisirung ihrer Forderungen an das französische Gouvernement gerichtet; vielleicht auch, daß Euer Majestät allergnädigst geruhen, auf Abschlag dieser Forderungen denjenigen, so ihre demolirten Häuser in der Stadt bald wieder aufzubauen geneigt sind, Zahlungen von monatlich etwa 6000 r. auf die nunmehr wieder eröffnete neue Accise- und Zoll-Einnahme dasiger Stadt, welche man auf eben so hoch monatlich annehmen kann, wenn die Staats-Cassen keine bedeutendere Zahlungen gestatten möchten, anzuweisen. Besonders bedarf die Wieder-Aufnahme der Cämmerei-Mittel von Glogau, welche von einer Einnahme von jährlich 30,492 r. beinahe auf Nichts reducirt sind, indem die um die Stadt liegenden Kämmerei-Güther abgebrandt und verwüstet, der Stadtwald aber niedergehauen ist, alle Aufmerksamkeit. Die hierauf Bezug habenden Vorschläge werden wir den uns unmittelbar vorgesetzten Staats-Behörden vorlegen.
3tens der am Schluß des Monats Merz statt gefundene Aufgang des Eises im Oderstrohm hat um so größere Verwüstungen in den angrenzenden Gegenden angerichtet, als die durch die Ueberschwemmungen im Herbst vorigen Jahres zerstörten, in der Zwischenzeit [46r] wieder hergestellte Dämme noch nicht zu vollständiger Consistenz gelangen können. Die Aufnahme dieser neuen Schäden, und die Aufsuchung der Wege, auf welchen dieselben bei so sehr erschöpften Geld-Mitteln und beim gegenwärtigen Mangel an Menschen-Händen in möglichst kurzer Zeit, und vor Eintritt des zu erwartenden großen Johannis-Waßers wieder herzustellen, ist gleichfalls ein Gegenstand unserer kollegialischen Aufmerksamkeit in dem letztabgelaufenen Monate gewesen.
Unter der Rubrik
dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]