4 Liegnitz, 6. Mai 1815
Zeitungsbericht für April 1815
GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16505, Bl. 28r-30v, Anlagen Bl. 31r-33r. Referent Erdmannsdorff.
[28r] Liegnitz den 6ten May 1815.
Haupt-Zeitungs-Bericht vom Liegnitzschen Regierungs-Departement für den Monat April c.
Ewr: Majestaet verfehlen wir nicht den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Bezirk unserer Administration für den Monat April d. J. in nachstehenden Anzeigen allerunterthänigst zu erstatten:
Witterung.
Nur an wenigen Tagen des Monats zeigten sich noch Spuren vom Winter. Etwas Schnee fiel noch den 17ten und 19ten. Die herrschende Richtung des Windes war theils aus Süden und Südosten, theils aus Nordwesten. Das Rèaumursche Thermometer stand in der Gegend von Liegnitz am höchsten den 3ten Mittags, nehmlich 19 Grad über dem Eispunkt, am tiefsten hingegen den 10ten früh, wo dasselbe 1 Grad über Null zeigte. Die vom 16ten bis 22ten stattgefundenen Nachtfröste haben zwar nicht den Saaten, welche fast überall, vortreflich stehen, aber wahrscheinlich der Baumblüthe, Schaden zugefügt.
Preise der Consumtibilien.
Welche Preise das Getreide im verfloßenen Monat auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements gehabt, und wie diese Preise sich zu denen des benachbarten Auslandes erhalten, wollen Ewr: Majestät aus der unter Lit: A allerdevotest beigeschlossenen Designation huldreich zu entnehmen geruhen.
Der Berliner Scheffel Kartoffeln wurde mit 12 bis 22 gg: Münz-Courant bezahlt.
[28v] Der Cours der Münzsorten, Staats- und Communal-Papiere, sowie der kaufmännischen Wechsel
war wegen der bestehenden politischen Verhältniße im letztverflossenen Monat im Sinken. Nur allein die Tresorscheine sind von 82 auf 87 Procent gestiegen. Von den schlesischen Pfandbriefen stehen die großen auf 84 1/2, und die kleinen auf 85 3/4 Procent.
Die
Krankheiten,
welche unter den Menschen herrschend waren, bestanden in rheumatischen und katarrhalischen Zufällen. Erwachsene litten häufig am Brustfieber und an Pleuresien, sowie die Kinder am Keuchhusten.
Der Gesundheits-Zustand des Viehes ist erwünscht.
Unglücksfälle.
In Glogau fiel der Tagelöhner Eckartsberg aus dem zweiten Stockwerke des Militair-Verpflegungs-Magazins beim Mehl-Aufwinden so unglücklich auf die Straße herab, daß er auf der Stelle seinen Geist aufgeben mußte.
Einer gewißen Susanne Besler in Buschwitz, Militsch-Trachenbergschen Creises, ward von einem Sack Kartoffeln, den sie auf dem Rücken trug, und an den Hals gebunden hatte, beim Uebersteigen eines Zauns das Genick gebrochen.
Fünf Personen machten aus Schwermuth ihrem Leben selbst ein Ende.
In Bartnick, Militsch-Trachenbergschen Creises, wurden zwei Dominial-Scheunen mit vielem Getreide [28v] zur Nachtzeit durch ein Feuer vernichtet, deßen Entstehungs-Ursache nicht auszumitteln gewesen ist. Im Glogauschen Creise brannten zu Schmarsau zwei Bauer-Nahrungen und zwei Gärtner-Stellen, in Kleinvorwerck aber sechs Possessionen ab. Die Art, wie diese unglücklichen Ereigniße herbeigeführet worden, hat ebenfalls nicht eruirt werden können.
In dem Monat April c. sind in dem hiesigen Regierungs-Departement
Policey-Institute
weder entstanden noch eingegangen.
Die geordnete
Designation von dem Zustande der Regierungs-Haupt-Casse hieselbst im Monat April c.
vermögen wir dem gegenwärtigen Berichte nicht beizuschließen, weil nach einer neueren Bestimmung Ewr: Majestät Finanz-Ministerii der Cassen-Abschluß für die Folge erst den 12ten jeden Monats statt finden soll. Wir werden aber diese Nachweisung mit der nächsten Zeitungs-Relation allerdevotest zu überreichen nicht verfehlen.
Grenz-Sachen.
Noch immer behindert man rußischer Seits die Ausfuhr von Getreide und Schlachtvieh, aus dem Herzogthum Warschau nach Schlesien. Den Insaßen desselben ist jeden Gemeinschaft mit Einwohnern von hiesiger [29r] Provinz auf das strengste untersagt. Ohne Paß, oder ohne genau gekannt zu seyn, darf kein schlesischer Insaße sich über die Grenze wagen, wenn er nicht Unannehmlichkeiten erfahren will. Derjenige aber hat von den Pohlen Insulten zu erwarten, welcher dort von Theilung des pohlnischen Reiches zu sprechen kein Bedenken trägt.
Handels-Gegenstände.
In Folge der eingetretenen politischen Conjuncturen ist das Handels-Verkehr zwischen der Provinz Schlesien und dem Auslande, gegen die nächst vorhergehende Monate sehr ins Stocken gerathen. Die früher gemachten directen Waaren-Verschreibungen sind abbestellt worden, und nach der Versicherung mehrerer bedeutender Handelshäuser sollen auch in den Hafen-Städten wenig Waaren-Vorräthe vorhanden seyn. Dieser Umstand hatte auch auf die lezte Leipziger Oster Messe einen nachtheiligen Einfluß, welcher besonders an der überaus geringen Zufuhr rußischer und pohlnischer Fabrikate und Produkte wahrgenommen wurde.
Die schlesischen Tuch-Negocianten sind von gedachter Messe sehr unzufrieden zurückgekehrt, indem nach ganz ordinairen Tüchern mehr, als nach feinen, Nachfrage gewesen ist.
Eben dieses müßen wir von den Leinwand-Kaufleuten allersubmißest bemerken, welche den Grund des schwachen Debits ihrer Waaren [30r] vorzüglich darin setzen, daß die englischen baumwollenen Waaren auf gedachter Messe für die niedrigsten Preise verlaßen worden sind.
Die Quantität der im abgewichenen Monat bei den ZollAemtern zu Schmiedeberg, Hirschberg, Greiffenberg und Warmbrunn zur Ausfuhr declarirten Leinen-Waaren, verzeichnet diejenige Designation, welche Ewr: Majestät wir in dem Anschluße sub B allerdevotest überreichen.
Veränderungen bei öffentlichen Behörden im Departement
haben sich nicht ereignet.
HauptGegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung im vergangenen Monat waren:
1tens die auf die Recruten-Aushebung von 6100 Mann aus hiesigem Regierungs-Departement Bezug habenden Maasregeln. Wir können bei selbiger nicht anders, als die große Bereitwilligkeit der Departements-Insaßen zu den Fahnen sich zu gestellen, rühmen, indem jene Gestellung als beendet anzusehen ist.
2tens dergleichen Maasregeln zu Aushebung von ohngefähr 600 Pferden für den Dienst der mobilgemachten Landwehr, sowie für die Artillerie und Trains der Armée.
3tens die Vorkehrungen zur Verpflegung der durch [30v] das Departement marschirenden beiden Kaiser. Rußischen Armée-Corps. Das eine zieht vom 2ten hujus bis zum 3ten Juny c. unter dem Befehlen des Generals der Infanterie, Baron von Sacken über Liegnitz, Haynau und Bunzlau nach der Ober-Lausitz, und ist 50,600 Mann und 27,900 Pferde stark. Das andere aber, welches unter den Befehlen des General-Lieutenants Kapczewitz stehet, geht vom 3ten May bis 12ten Juny c. über Guhrau, Glogau, Neustaedtel und Sagan nach der Nieder-Lausitz, und wird zu 84,700 Mann und 21,000 Pferde angegeben.
4tens Anordnungen, daß vor dem Einrücken der fremden Truppen die öffentlichen Wege in möglichst guten Zustand gesetzt werden. Außer diesen Gegenständen sind Vorwurf unserer Beschäftigung diejenigen Objecte gewesen, welche die allerunterthänigst beigeschloßenen Nummern 15 bis 18 des 5ten Jahrganges unseres Amtsblatts enthalten.
Unter der Rubrique
Dringende Reformen und Verbeßerungen in der Administration
haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.
Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.
[gez.]